Berlin hat im März meistens einige Tage, an denen man sich besser ein Frühstück von Profis bereiten lässt, als sich in die eigene Küche zu bemühen. Heute war so ein Tag: windig, kühl, regnerisch, die Sonne wollte sich nicht blicken lassen. Also machten wir uns guter Hoffnung ins „tous les jours“1 in der Nähe der Greifswalder Straße auf.
Kaum eingetroffen, bestellten wir dringend erhofftes Koffeinhaltiges, was auch spornstreichs eintraf:
Das „tous les jours“2 ist wochenends zur typischen Berliner Frühstückszeit recht voll, allerdings leerte es sich Richtung frühen Nachmittag auch sehr schnell wieder. Das Frühstücksteam3 setzte sich an einen der wenigen noch freien Tische, einen leichten süßen Fliederduft wahrnehmend. Der kam von einer Vase mit einer kleinen Pflanze, die wir für eine Hyazinthe hielten, die olfaktorisch Flieder ähnelt und den Frühling in die Nasen trieb.
Am Wochenende öffnet das „tous les jours“ schon um acht Uhr (wochentags sogar um sieben Uhr). Von unserem Tisch unweit des Fensters konnten wir auf die Kreuzung und ein Stück die Straße runter schauen, die ganz typisch für das Bötzow-Viertel ist: helle Fassaden, viele Ladengeschäfte und Restaurants, breite Bürgersteige und leider auch lauter parkende Autos. Das „tous les jours“ machte optisch an diesem regnerischen Tag von außen wenig her, immerhin drängte sich Berlin-typisch aber ein SUV ins Bild:
Die Eigenbeschreibung ist übrigens „Bistro“4, was wohl auf grundsätzlich einfache Speisen und kein allzu elaboriertes Küchenangebot hinweisen soll. Aber einen stilechten Klassiker, der ohne großen Aufwand herstellbar ist, fanden wir natürlich in der Karte:
Der Saft schmeckte wie erwartet gut. Aber die Vorfreude auf die Speisen wurde erst so richtig geweckt, als die Brötchen am Tisch landeten:
Während der Anblick der Brötchen unsere Lust auf die Frühstücke weiter anheizte, bemerkten wir ab und an etwas Laufpublikum von der Straße, das sich aus einem Getränkekühlschrank neben der Tür bediente oder am Tresen Lebensmittel zum Mitnehmen bestellte. Offenbar wird das Lokal wochenends auch rege als Späti-Ersatz genutzt, allerdings kamen die Sympathisanten in nicht störender Menge. Aber als das Essen kam, waren wir ohnehin unsererseits abgelenkt:
Das Lachs-Rührei war wunderbar balanciert, herzhaft, saftig, heiß, gar schön und von perfekter Konsistenz. Der Lachs war nicht versalzen, das Ei nicht zu weich und doch fern von hartem Tobak – also genau, wie es sein soll. Im „tous les jours“ werden die unterschiedlichen Eierspeisen offenbar alle mit ähnlichen Dekormaßnahmen versehen, jeweils mit etwas Obst und Grünzeug.
Unsere Bedienung im „tous les jours“ wechselte zwischenzweitlich zwar, aber beide Kellner hatten etwas gemeinsam: Sie kamen nicht allzuoft vorbei. Wir mussten bei Bedarf eher winken, dann jedoch waren sie schnell am Platz. Um ehrlich zu sein, hat uns dieses Verhalten an diesem speziellen Tag aber gar nicht gestört. Wir hatten uns lange unterhalten und fanden das Ungestörtsein dabei von Vorteil.
Unser Blick fiel zwischendurch auf das ansehnliche Tortenangebot, das uns später dazu verführte, zwei Stücken (je 2,90 €) für den entfernten Genuss einpacken zu lassen. Vorerst stand uns der Sinn aber nach mehr Deftigem, so landeten Eier mit Schweinebauch vor 46halbes Nase:
Sieht man mal von der unvermeidlichen roten Pest ab, war der Anblick der bestellten Spiegeleier verlockend. Der Speck duftete und war knusprig, die grüne Salatbeilage frisch und etwas Obst lag wie beim Rührei auch noch dabei. Generell erschienen uns die Portionen als ausreichend groß und sie konnten geschmacklich überzeugen, allerdings waren wir an diesem Tag auch nicht völlig ausgehungert.
Nach den Eiern musste Koffeinnachschub in Form eines Cappuccinos her, schließlich sollte die Verdauung angeregt werden:
Wer nun glaubt, unsere Nahrungsaufnahme wäre schon beendet gewesen, täuscht sich. Wir legten quasi noch einen weiteren Gang ein:
Ohne Frage war das gereichte Obst frisch und auch nicht miteinander vermanscht, es mundete 46halbe trotz steigendem Magenfüllstand ohne Abstriche. Wir hatten unterdessen schon weit mehr als eine Stunde in dem Lokal verbracht, obwohl die Atmosphäre insgesamt nicht übermäßig gemütlich wirkte. Dennoch lud sie zum Verweilen ein, vielleicht weil die Bedienung uns nicht unnötig störte und die Fluktuation der Besucher nicht allzu stark war.
Und mit dem Verweilen verband sich weitere Nahrungsaufnahme, da zu unserer Verwunderung der Brotkorb noch halbvoll auf dem Tisch herumlungerte. Also orderten wir flugs noch etwas Marmelade, Nutella und Butter, um die übrig gebliebenen Brötchen zu vernichten. Die Erdbeermarmelade stellte sich beim Schreiben des Blogposts als Geschenk des Hauses heraus, denn wir fanden sie später nicht auf der Rechnung. Die schätzten wir mit insgesamt 32 € (ohne Trinkgeld und ohne die zum Mitnehmen verpackten Kuchenstücken) übrigens als moderat und angemessen ein.
Hingehen ins „tous les jours“ sollten alle, die gern wirklich lecker und bodenständig, aber stets mit einer Note Eleganz genießen.
tous les jours
Hufelandstraße 16, 10407 Berlin030 4280 91 60
tous-les-jours.de