The Barn

Mittags rum in Berlin einen überdurchschnittlichen Kaffee zu bekommen, ist in den letzten Jahren leichter geworden. Mehrere bemerkenswerte Kaffeeläden und -röstereien haben eröffnet, ein paar mit hohem eigenen Anspruch. Dazu gehört The Barn, dessen neue und größere Filiale in der Schönhauser wir kurz nach der Eröffnung unter die Lupe nehmen wollten.1
Betritt man den Laden zum ersten Mal, fallen sofort die großen ungenutzten Flächen ins Auge. Die typische Aufteilung in Berliner Cafés orientiert sich häufig an der Optimierung des Raumes, was Sitzplätze, Tische und Tresen angeht. Nicht so im The Barn: An den Wänden und Fenstern sind einige wenige Bänke und Hocker, minimale flache Tischchen davor. Der Rest des Raumes besteht aus kahlem Boden. Der riesige Tresen wirkt so wie der Altar einer Kathedrale.
kathedrale

Holz und warmes Licht.

Welchen Sitzplatz man auch immer wählt, man hat ein „no laptop“-Schild in Sichtweite. Ein gewisses Verständnis für die Absicht des Betreibers, nicht noch ein weiteres der Berliner Cafés zu werden, das zum Zweitbüro für die Horden an Pseudokreativen mutiert, werden vermutlich viele Besucher aufbringen. Aber durch die Schilder setzt trotzdem ein Gefühl ein, das eine Art Leitmotiv unseres Besuches werden soll: Bevormundung.
no laptop

Keine Computer erwünscht, Mobiltelefone aber geduldet.

Angenehmerweise wird man im The Barn zwar nicht mit zu lauter oder unpassender Musikkulisse zwangsbeschallt,2 aber den wirklich unangenehmen Aspekt der Bevormundung bekommt man gerade dann zu spüren, wenn es um Kaffee geht.
kaffee an tischchen

Guter Kaffee ist nicht billig.

Ein Beispiel ist die Frage der Milchabgabe an Gäste. Man mag es für selbstverständlich halten in einem Kaffeeladen, daß manche Menschen ihren Kaffee mit Milch mögen und sie daher angeboten wird. Im The Barn jedoch bekommt man nur eine Sorte Kaffee mit Milch. Es wird zwar auf die elaborierten neudeutschen Bezeichnungen für koffeinhaltige Heißgetränke wie Cappuccino, Flat White, Café au lait und dergleichen verzichtet, es gibt auch nur drei Größen an ausgeschenktem Kaffee (4oz, 8oz und 12oz), allerdings wird man aus der vorhandenen Auswahl an Bohnen auf eine einzige Sorte festgelegt, die man mit Milch genießen darf. Auch auf Nachfrage bekommt man keinen anderen Kaffee mit Milch.
roester

1955er Probat-Röstmaschine, drinnen läuft die „Cropster Roast Profiling Software“.

Wir haben also nur die Wahl zwischen einer aeropress-Zubereitung und klassischem Filterkaffee. Dies wird zudem mit geübtem geringschätzigen Blick mitgeteilt, der einen auch gleich beim Gang zum Zucker – nur um die Säure zu bändigen! – begleitet. Immerhin kommt der Zucker mit einem mehr oder weniger freundlichen Hinweis neben dem Schälchen.
hinweisschild am zucker

„We find that you get the best impression of all flavours of our coffee when you enjoy it without sugar.“ Wir nicht.

Zweifelsohne entstehen die Espresso-shots auf der Marzocco unter größter Mühwaltung, wir fragen uns jedoch, ob angesichts der guten Lage für Laufkundschaft aller Couleur an der Schönhauser es denn nun wirklich für den Milchkaffee eine Bohne sein muß, die maximal einen Nischengeschmack bedient. Man kommt sich ein wenig vor wie in einem Programmkino, dessen Ausstattung und Technik Spitzenklasse ist, aber das in der Auswahl des Programms und im Service provinziell bleibt.
Zucker aus Mauritius

Unbehandelter Zucker aus Mauritius, reich an Vitaminen und Mineralien.

Neben „no milk“ und „no laptop“ gilt auch der Grundsatz „no pram“, forciert durch einen Anti-Kinderwagen-Poller an der Tür. Über diese Kinderwagensperren wird schon länger diskutiert, auch da sie in Berlin gefühlt leicht steigende Tendenz aufweisen. Doch solche Diskussionen bleiben reichlich abstrakt, bis man mal Augenzeuge wird, wie solche Poller in der Praxis funktionieren.
kinderwagenblockierer

So sieht ein Kinderwagenblockierer aus.

Denn tatsächlich betritt eine Mama mit Wagen zum Ende unseres Besuches hin das Lokal. Vielmehr versucht sie es, denn der Poller blockiert den Kinderwagen. Der Grund der Blockade ist für den Schiebenden des Gefährts aber nicht unmittelbar sichtbar, so daß sie anfangs versucht, an der Sperre vorbeizufahren, während der Barista hinter dem Tresen abwartend gespannte Haltung annimmt. Erst als die Mutter versteht, daß es sich um eine dafür konstruierte Kinderwagensperre handelt, machen sie und ihre Begleiterin kehrt.
Die Szene löst bei 46halbe den Reflex aus, den Laden umgehend zu verlassen. Wir verzichten auf das Ausprobieren der Nahrung, es war ohnehin mal wieder alles voller Tomaten.
Hingehen sollten alle kinderlosen laktoseintoleranten Liebhaber saurer Kaffees, die des Englischen mächtig sind und gern bei einem makellos zubereiteten koffeinhaltigen Heißgetränk in aller Stille ihre Klaustrophobie in einem wie von Werbern erdachten „back to the basic“-Kaffeekathedralenambiente auskurieren möchten. Kaffeephilister hingegen werden hier die Nase rümpfen.
  1. 46halbe hat sich mit nibbler einen echten Kaffeeliebhaber als Unterstützung angelacht. []
  2. Vermutlich dank GEMA ohnehin ein zu kostspieliges Unterfangen. []

16 Comments

Filed under Nicht wirklich Frühstück, Prenzlauer Berg

16 Responses to The Barn

  1. Todde

    Was kostet denn son Kaffee ? Die vom kuechenradio http://www.kuechenstud.io/kuechenradio/kr351-kaffee/ warn auch neulich da und haben sich gewundert, dass der Laden schon so zeitig schließt und nen Demokaffee gab’s wohl auch nicht. Naja, wem’s gefällt, wobei das mit dem Poller schon affig ist.

  2. 46halbe

    @Todde: Wir haben es leider vergessen aufzuschreiben. Ich denke, es waren drei Euro für die mittlere Kaffeegröße. Ich würde es aber nicht beschwören.

  3. Theo

    Ihr habt vergessen zu erwähnen dass anwesende Kinder gefälligst die Klappe zu halten haben, damit die erwachsenen Kunden in Ruhe ihren Kaffee trinken können. Und natürlich dürfen Kinder dort keinesfalls unbeaufsichtigt herumlaufen – safety, wissenschon.

    http://www.thebarn.de/roastery/kontakt.html

  4. norti

    naja theo, dann hoer dir mal http://www.kuechenstud.io/kuechenradio/episoden/kr351-kaffee/ an (~44:45), da klingt das dann doch nochmal etwas anders

  5. buliwyf

    Beim Küchenradio klingt das alles eher wie eine Ausrede und ein drum herum Reden um nicht direkt ins Mikrofon sagen zu müssen: „Wir wollen keine Kinder im Laden“

  6. Martin

    Also davon abgesehen, dass man von einem Kaffeeladen in der Schönhauser generell vielleicht nicht allzuviel erwarten soll: was ist eigentlich euer Problem?

    Beschwert ihr euch in einem gutem Restaurant, dass die Karten dort nur 5 Speisen haben und der Chefkoch ungern die Salzkartoffeln zum Fisch mit Pommes ersetzt?

    Lasst dem Laden seine Freiheit und wenn ihr es nicht mögt, dann ist das einzig euer Problem.
    Ich bin wahrlich kein Fan solcher Kaffeeläden mit der hier angeprangerten Attitüde, aber das Rumgeheule in einem Laden nicht alles haben zu können was mal haben will, und dann sich noch hier so öffentlich beschweren ist in meinen Augen echt arm.

    Lasst mich raten, wo der Postautor herkommt … ich kann es mir nur allzu gut denken.

  7. unterstrom

    @Martin

    Also davon abgesehen, dass man von einem Blog im Internet generell vielleicht nicht allzuviel erwarten soll: was ist eigentlich dein Problem?

    Beschwerst du dich in einem Kaffeeladen, dass es keine Milch zum Kaffee gibt?

    Lass dem Blog seine Freiheit und wenn du es nicht magst, dann ist das einzig dein Problem.
    Ich bin wahrlich kein Fan solcher Internetblogs mit der hier angeprangerten Attitüde, aber das Rumgeheule in einem Blog nicht die Meinung lesen zu können die man lesen will, und dann sich noch hier so öffentlich beschweren ist in meinen Augen echt arm.

    Lass mich raten, wo du herkommst … ich kann es mir nur allzu gut denken.

  8. krapfie

    Darf man dort eigentlich mit einem iPad oder eBookreader Kaffee trinken?

  9. 46halbe

    @krapfie: Wir haben das nicht ausprobiert. Ich denke, ein Tablet oder eBook-Reader ist kein Laptop, aber wenn das im Laden anders gesehen wird, werden sie das bestimmt dem betroffenen Benutzer mitteilen. Immer vorausgesetzt, der Benutzer ist kein Rollstuhlfahrer, denn dann käme er ja gar nicht rein.

  10. Martin

    @unterstrom: auch wenn ich mich gerade echt über den Konter gefreut hab. 🙂
    Aber ich denke trotzdem, dass es weiterhin recht arm sich hier so öffentlich hinzustellen, das anzuprangern, weil man etwas nicht mag.
    Denn in dem Ton „der Laden ist anders, und ist gar nicht mein Stil“ ist es sicherlich nicht. Das ganze hat schon sehr den Unterton einer Gutmenschen-Laden-Kritik. Und sowas ist ziemlich arm, finde ich.

    PS: na dann rate mal. 🙂

  11. unterstrom

    Stört mich gar nicht.

    Ich bin arm und gut.

  12. Pingback: The Barn « Frühstücken in Berlin | Food in Berlin | Scoop.it

  13. Martin Riggs

    Ich fasse die Trollkommentare und die Attitüde der Betreiber einmal so zusammen:
    Verf+<|t3 Kinder-und Rollstuhlfahrerhasser, die zuviel Muckefuck gesnieft haben.
    Sprengt den Poller mit C4 und die Betreiber, ach scheiße mein Blutdruck.

  14. Tobias

    Das wirklich lustig-absurde an dem Laden ist daß ‚Barn‘ norwegisch für ‚Kinder‘ ist. Und ich bin mir ziemlich sicher das die das nicht mal wissen… 😀

  15. Pingback: Der goldene, kaffeesüchtige Elefant in Schweden – Der Weisheit – s02e09

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