Sonntags frühstücken scheint in Berlin etwas besonders zu sein. Alle möglichen Cafés mit sonst ansehnlichem Angebot kommen auf die verwegene Idee, man wolle bloß wegen des Wochenendes plötzlich lieber selber aufstehen, Nahrung von unübersichtlichen Theken auf seinem Teller balancieren und um 15 Uhr noch die warmgehaltene Suppe vom Vormittag mit einer der nie ausreichen wollenden Hände umtopfen.
Umso angenehmer ist es, in ein Lokal zu stolpern, das einen versteht, im sonntagsmorgendlichen Kater abholt und mit der Selbstverständlichkeit des Kreuzberger Kiezpatriotismus die Karte mit „Dem Frühstück“ hinwirft. Und die Karten im „Salon Schmück“, in das wir1 vor dem einsetzenden Sonntagnachmittagsregen flüchtend einkehrten2, waren wirklich liebevoll gestaltet: PVC-Klappkärtchen in Stullenbrett- und rotem Krokodillederimitatsmuster versetzten uns gleich in die beschwingte Stimmung, die durch die eigenwillige Innenraumausstattung unterstrichen wurde. Uns begrüßten Setzkästen mit Matroschkas und sonstigem Tinnef, eine rot-braune runde Ledercouch in der Mitte des Raums, eine Kuchenvitrine und viele längst ausgestorben geglaubte Beleuchtungsgegenstände. Und wem noch immer zu „normal“ war, wurde spätestens durch die anderen Gäste mitgerissen, die – teils Murmeln auf ihrem Kopf balancierend, teils noch im Schlafanzug – alle herrlich schräg unterwegs waren.
Der Salon Schmück gibt sich innen verträumt.
Andrea, Kathrin und Anett waren vegetarisch unterwegs: Sie teilten sich zu dritt das „Alm Frühstück“ in der „Frühstück für Zwei“-Edition für neun Euro, dazu Milchkaffee für 2,30 Euro bzw. Latte macchiato für preiswerte zwei Euro. Dazu die obligatorischen Leitungswasser und Apfelschorle: 0,3l kosten hier ebenfalls zwei Euro. Anett probierte dazu den frischen Obstsalat für 3,50 Euro, Andrea die Bio-Eier mit Mozzarella und Tomate für 4,50 Euro. Die Getränkebestellung wurde zwar zuerst an der Bar verpeilt, dauerte aber nach einer Erinnerung3 nur vier Minuten.
Das Essen war nach nur vierzig Minuten da, führte dann auch gleich zu schwungvollen Diskussionen zwischen den professionellen Testern auf der einen und den Damen vom Fach, die üblicherweise auf der anderen Seite des Tresens stehen: Ein wirklich gutes Frühstück zuzubereiten ist nämlich eine Heidenarbeit. Für frisch geschnippeltes Obst, Gemüse, schön arrangierten Käse, geschmackvoll drapierte Kräuter, passende Eibeilage, herrliche Mozzarella-Tomaten-Basilikum-Kaskaden – und das noch auf mehreren unterschiedlich verzierten Tellern gleichzeitig – kann und sollte man schon mal Geduld aufbringen.
Das Zwei-Leute-„Alm Frühstück“ (rechts) für 9 €, linkerhand das Bio-Ei vegetarisch für 4,50 €.
Das „Alm Frühstück“ präsentierte sich dann aber auch prachtvoll: Das Foto kann die „phänomenale“ (Anett) Pracht kaum wiedergeben. Zu den leckersten denkbaren Käsesorten (siehe auch die Karte) gesellten sich Advocado-Creme, Bio-Marmelade und als Krönung eine Schüssel voll zerlassenem Camembert zum Selberditschen. Der Brotkorb, den sich erdgeist mit den Alm-für-Zwei-lern teilen sollte, war hingegen ein wenig lütt – selbst wenn statt der hungrigen vier nur die geplanten drei Mäuler zu stopfen gewesen wären – und sollte durch einen weiteren für stolze 1,50 Euro4 ergänzt werden. Die Funktion des im zweiten Brotkorb heimlich mitgelieferten Kühlschrankmagneten wurde uns auch nach längerem Überlegen nicht klar. Dessen Anwesenheit wunderte uns aber nach Anblick des Interieurs nicht mehr. Die Bio-Eier schmeckten deutlich leckerer als auf dem Foto zu erahnen – alles in allem war die Vegetarierfraktion mit ihrem Mahl mehr als zufrieden, Urteil: ausgewogen und günstig.
Links der Brotkorb, für dessen 3-Schrippen-Ersatz 1,50 € fällig wurden. Mitte: Ein 3 € Latte macchiato. Noch im Bild: Obstsalat richtig gemacht.
nitram brauchte zur Stärkung etwas herzhafteres: Er war mit einem Chili con carne und drei Bio-Rühreiern mit Käse und Schinken zu jeweils 4,50 Euro dabei. Das Rührei war – wie bereits angedeutet – durchweg lecker, das Chili hätte mit mehr Fleisch und vollständig heiß noch besser geschmeckt. Da nicht alle ihre Teller komplett leer aßen, war der für seine restlosen Vertilgungsfähigkeiten bekannte nitram ein echter Glücksgriff: Seine Schnitt- und Rühreibemmen-Kreation konnte der restlichen Kunst im Raum durchaus das Wasser reichen! Warum während des Frühstücks die Begriffe Moppelkotze und knorke aufgekommen sind, ist leider nicht mehr überliefert, bot aber einen unterhaltsamen Anfangspunkt für eine weitere Recherche, die zu spannenden Details über die Senatsreserve führte.
Chili con Carne für 4,50 €. Umsonst: sich aus den Resten kreative Bemmen basteln.
Da erdgeist schon leicht verkatert ankam und zu den fröhlich spielenden Kindern inkompatibel war, mußte er sich zusammenreißen, die ersten Eindrücke nicht zu hochzuhängen: Die Raumakustik war auch nach dem Verschwinden der Kleinen nur mit starken Nerven zu ertragen, die Musik5 half nur wenig. Auf dem Tresen stapelte sich das Altgeschirr, und die Rhabarberschorle6 wurde mit einer Scheibe Zitrone verhunzt.7 Die Leitungswasser wurden – wie leider viel zu oft üblich – vergessen, trotz expliziter Bestellung. Die reine Anwesenheit von Rhabarbersaft8 war aber schon mal ein dicker Pluspunkt.
Nach der Zufuhr von Eiweißen und der Anhebung des Blutzuckerspiegels wirkte aber auch bei erdgeist die Magie des Raums: Das bestellte „Berg & Tal Frühstück“ für 6,50 Euro kam mit einer großen Auswahl an Wurst, einer kleineren Auswahl an Käse, einem Bio-Ei und allen Details daher, die auch das „Alm Frühstück“ liebenswert machten: Kiwi- (noch mit Aufkleber), Melonen- und Orangenscheibe, der Mozzarella-Zauber, wirklich leckere Waldbeerenmarmelade. Dazu gab es – suchtbedingt – einen Latte macchiato mit Extrashot für drei Euro, der dann auch prompt im Caipi-Glas daherkam. Wie nun unschwer zu erraten, war auch das „Berg & Tal Frühstück“ außerordentlich lecker, ausreichend und in angenehmer Atmosphäre gern verspeist.
Das „Berg & Tal“-Frühstück. Preis: 6,50 €.
Hingehen sollten alle, die auch sonntags leckeres und günstiges Frühstück a la carte wollen, ein wenig Zeit mitbringen und denen „normal“ zu anstrengend ist. Der Second-Hand-Shop im hinteren Teil des Salons lädt auch die anspruchsvolleren Zeitgenossen zum Eintauchen in die gemütliche Atmosphäre ein.
Salon Schmück, Skalitzer Str. 80
Tel. (030) 69004775
Außenimpression bei Sonne
- Diesmal war eine geduldsstrapazierende Fünfertruppe – bestehend aus nitram, Andrea, Anett, Kathrin und erdgeist – für euch im Regen unterwegs. [↩]
- Der „Salon Schmück“ besteht aus zwei großen Räumen, bei gutem Wetter kann man auch draußen sitzen. [↩]
- Nach 25 Minuten kann man schon mal höflich nachfragen. [↩]
- Dies entspricht fünfzig Eurocent pro Schrippe. [↩]
- Es wurde „Black Music“, später entspannter Funk kredenzt. [↩]
- Schorlen kosten alle zwei Euro. [↩]
- Sowas kennt man sonst eigentlich nur vom günstigen Eck-Inder. [↩]
- Die Mehrheit der Anwesenden sind ausgewiesene Rhabarberfans. [↩]