Das Frühstücken in touristisch konzipierten Gegenden ist ja immer so eine Sache. Von unserer Eigenschaft als auch-mal-Touristen in anderen Städten rührt die Erfahrung, daß man da beim Essen gerne schon mal einen Taler mehr läßt, als Vergnügungszuschlag sozusagen. Ferner scheint sich herumgesprochen zu haben, daß Touristen selten zu Stammgästen werden, sich die Qualität in Nahrung und Bedienung also nicht in Wiederholungsbesuchen niederschlägt.
All dies wissend und auch frühere Berichte nicht ignorierend, befanden wir1 uns im teuren Kiez des Nikolaiviertels und damit in der Zwickmühle, schlimmen Frühstückshunger zu verspüren. Das Angebot im zuerst anvisierten hätte unsere Brieftaschen gesprengt, wodurch wir uns gezwungen sahen, gen Hackescher Markt weiter nach realistischeren Locations zu suchen. Am Bahnhof – oder besser gesagt im Bahnhofsgebäude – wurden wir dann fündig: Das am to pm empfing uns mit der Drohung, „24hours breakfast“ anzubieten, und hatte fieserweise Wippehängestühle ins Freie gestellt, die man auszuprobieren förmlich gezwungen war:
Einladendene Hängestühle im am to pm. Im Hintergrund die Audioinstallation: Ghettoblaster auf Stromkasten.
Daß das am to pm auch noch neben erdgeists Stamm-Kaffeedealer Coffee Mamas liegt und sich das eine oder andere Mal ins Unterbewußtsein gedrängt hat, half ebenfalls nicht dabei, daran vorbeizugehen.2 Die Bedienung kam gepflegt daher und die Musik war… wie Musik, die man in einer Touri-Location eben so hört. Sie dudelte aus einer – weiter unten nochmal näher dokumentierten – „Ghettoblaster auf Stromkasten“-Installation auf dem Rasen hinterm Stuhl.
Frohen Mutes orderten wir unter den alles orange einfärbenden Sonnenschirmen unsere Frühstücke. ashnas Frühstücksgewohnheiten lassen sich leicht zu „Salamitoast und Kaffee“ zusammenfassen, und ein wenig kreative Auslegung der Karte (Fußnote: „denn nehm wa das französische, lassen das Croissant weg, tun dafür zwei Brötchen drauf, lassen Marmelade und Honig weg, tun dafür Salami drauf und Kaffee ist eh bei“) führte zu einem maßgeschneiderten Frühstück für ashna zum Preis von 3,50 €: ein Schnäppchen.
Links ashnas Spezialanfertigung, rechts der Brotkorb mit süß, mittig Blick durch den Dschungel gen Bahnhof Hackescher Markt.
erdgeist orderte seinen Referenz-Latte macchiato für 3,20 € und dem, was einem Kleinen Gemischten am nächsten kommt: das „breakfast amtopm“, welches sich mit 7,50 € in der Brieftasche unerfreulich breitmachte. Für den Preis sollten sie aber gefäligst etwas auffahren – und in der Tat, auf den ersten Blick gab es nichts zu meckern: ein Weißbrotkorb mit warmen Brötchen, Scheibe Salami, Kochschinken, Obstgarnitur, Rührei satt, frischer (und guter) Kräuterquark (wahrscheinlich markbrandenburg) und Nutella, Erdbeermarmelade und Honig in der Assiette. Besonders lobend hervorzuheben: zum Brötchenschneiden geeignete Messer.
erdgeists Frühstück „am to pm“ für 7,50 €
Beim Verzehr stellten wir jedoch schwerwiegende Defizite fest: Übereinstimmend befanden wir die Brötchen als schwer nach Chemie schmeckend, die Weißbrotscheibchen lieblos, die Wurst alt und – viel schlimmer – aus der „Lidl-Wursttheke, ganz hinten links“-Kategorie. Bei dem Preis hätte auch Fleischerware drin sein dürfen. Auch der dünne Latte macchiato reichte nicht zu nennenswerten Ehren – und das, wo keine zehn Meter entfernt der leckerste Kaffee der Stadt verkauft wird. Nach Auffüllen mit zehn Sekunden Zucker aus dem Streuer war er wenigstens als Kohlenhydratquelle zu gebrauchen.
Quelle für großen Spaß waren die paar dutzend wilden Tiere aus der Gattung der Vespula germanica, die in diesem Jahr – mangels Konkurrenz der erstaunlich abwesenden Culicidae – den Plagegeisterpokal erhalten. Zwei Exemplare lieferten sich in erdgeists Quark einen erbitterten Kampf, der mit dem zuckenden Tod beider Tiere endete. Schön, daß sie wenigstens selber unter ihrem Gift leiden.
Umsonst: Schlacht bis auf den Stachel.
Kurzum: Hingehen sollten alle, die sich zu jeder Tageszeit ein unaufregendes Frühstück zusammenverhandeln oder nach erlebnisreichem Nachtbummel auf der Oranienburger ihre Freunde mit Spätstück überraschen wollen. Nicht hingehen sollte, wem sein Sauerverdientes für was Unterdurchschnittliches zu schade ist – trotz Erlebnisparkbonus.
am to pm, Am Zwirngraben 2
Tel. (0 30) 24 08 53 01