Im Schloß Bellevue gibt es für Normalsterbliche nichts zu essen, wenn man nicht grade zum Staatsempfang geladen ist oder vielleicht ein Sternsinger. Dennoch machen wir vor dem Frühstück einen kleinen Umweg in den Schloßpark, um Bundesmittelläufer Christian Wulff zuerst noch den Schuh zu zeigen.
Im Januar ist eine Demo in Berlin keine so angenehme Angelegenheit: regnerisch, kühl und windig. Das macht hungrig, wir brechen daher bald zum Hack-Markt auf, nicht ohne vorher einen Spreeuferspaziergang durchs Regierungsviertel zu unternehmen.
Wulff-Schuhdemo: kostenlos.
Politisch aufgeladen, kalauern wir schon beim Eintreten nicht unbeträchtlich: „Eben noch beim Hampelmann, jetzt sogleich im Ampelmann“. Denn Ampelmann heißt heute das Lokal unserer Wahl. Es befindet sich am Spreeufer, schräg gegenüber der Museumsinsel in den S-Bahnbögen unterhalb des Bahnhofs Hackescher Markt. Das Frühstücksangebot können wir leider nicht mehr testen. Es wird seit kurzem zwar statt bis 12 Uhr jetzt bis 13 Uhr offeriert, aber wir verfehlen diesen Zeitpunkt doch erheblich.
Im Ampelmann werden Pizza und Brot selbst gebacken, wie uns die Karte verrät. Das frische Brot kosten wir doch gern:
Wasser und Brot zum Anfüttern: kostenlos.
Der Brotkorb wird zusammen mit Leitungswasser gereicht, dazu kleine Weingläser. Wir bestellen zunächst verschiedene Kaffee- und Teevarianten: Cafe Latte (3,20 Euro), Latte macchiato (3,20 Euro) Roibos Vanilla (Kännchen: 4,20 Euro) und Pfefferminztee (Tasse: 3,20 Euro) .
Tee Roibos Vanilla: 4,20 €.
Und wir haben wieder einen dieser Vorspeisen-Spielverderber dabei. Man sitzt da hungrig und hat sich nach langem Ringen etwas ausgewählt, alle bestellen nacheinander ihr Gericht – und dann passiert es: naros ist der Letzte in der Reihe und wünscht sich eine Vorspeise zu seinem Hauptgericht. Alle anderen wissen nun, daß die Zeit, bis sie etwas zu beißen haben, exorbitant verlängert ist. Zudem muß man ihm beim Essen zugucken. Eine Vorwarnung wäre nett gewesen, zumal eine nach gebratenem Speck duftende Speise serviert wird:
Gebratener Schafskäse im Speckmantel an pikantem Mango-Chutney: 8,50 €.
Wir haben es ihm verziehen. Dafür wird er umfassend zu seiner Vorspeise befragt. naros gibt an, daß der Schafskäse durch die Beigabe von Rauke im beiliegenden Salat mit Zitronen-Vinaigrette erfreut. Er schmeckt gut, sagt naros, dennoch hätte ein Kuh-Käse statt Schafskäse wohl besser gepaßt.
Frau Knöpfchen bekommt wenig später die Pizza Bresaola:
Pizza Bresaola: 11,50 €.
Die Pizza ist üppig mit Mozzarella, Bresaola, Walnüssen und Parmesan belegt. Bresaola ist übrigens Schinken vom Rind, wie die stets freundliche Kellnerin erklärt. Das Timing der Bedienung gefällt uns: Es wird nicht gedrängelt, sie läßt uns aber auch nie warten.
naros, der bereits den Schafskäse hinter sich hat, bekommt als Hauptgang Nudeln:
Orechiette mit Hähnchenbrust für 10,50 €.
Orechiette sind hütchenförmige Nudeln, die naros sehr gut schmecken. Uns umhüllt beim Essen eine leicht hypnotisierende Kaufhausmusik, die dann und wann untermalt wird durch leichte, erdbebenartige Rüttelungen wegen der über uns fahrenden S-Bahn. naros erinnert das spontan an das früher oft gehörte Little Earthquakes.
Die Teller der Speisen sind alle ansprechend dekoriert, das Geschirr ist von schlichtem Design und wirkt robust. Auf die Servietten sei sogar ein Loblied gesungen: Sie sind zwar aus Papier, fühlen sich dennoch wie Stoff an, ein kleines Männchen ist auch aufgedruckt. Viele weitere Details im Restaurant erinnern an den Namen: überall Ampelmännchen, auf den Shirts der Angestellten, in den Toiletten, selbst auf den Zuckertütchen.
Ampelmännchen, viele.
Das Ampelmännchen ist eines der wenigen Überbleibsel des DDR-Alltags, das im Straßenverkehr in Berlin noch vielfach präsent ist. Sonst hilft es, den Verkehr zu regeln, hier in der Speisekarte weist es auch den Weg zu den Essens- und Getränkeangeboten. Jede Seite der Karte ist mit einem anderen der Männchen markiert. Mit Hilfe eines neuen Gadgets kann hier ein kleiner Eindruck vermittelt werden:
Das Ampelmännchen für Hauptgerichte.
Für den kleinen Hunger bestellt 46halbe die Tomatensuppe. Die aufmerksame Kellnerin serviert sie zusammen mit den Hauptgerichten:
Provenzialische Tomatensuppe für 5,50 €.
Die Suppe ist mit Crème fraîche und Basilikum abgerundet, schmeckt gut, aber etwas langweilig. Die Crème fraîche will sich nicht recht auflösen, entfaltet daher ihren Geschmack nur teilweise.
Kai hat sich für die Schweinemedaillons entschieden:
Schweinefilet für 14,50 €.
Die drei Filetmittelstückchen werden mit Rübchenpüree und Bratenjus an Kartoffelgratin gereicht. Kai meint, es würde nach Weihnachten schmecken. Das mag am Lebkuchengeschmack liegen, den die Soße hat. Wir haben Zimt, Kardamom, Ingwer und weitere Multikulti-Gewürze im Verdacht.
Zwei Gierige unter uns bestellen auch einen Nachtisch. naros, der schon den Schafskäse UND die Orechiette verdrückt hat, genehmigt sich einen in der Karte als Pfannkuchen firmierenden Eierkuchen:
Heidelbeer-Pfannkuchen mit Vanilleeis und Ahornsirup für 7,50 €.
46halbe kann bei der Kuchenvitrine nicht widerstehen, sie bestellt einen Apfelkuchen.
Die normannische Apfeltarte für 3,80 €.
Bei diesem Apfelkuchen aus Mürbeteig mit auffälligem Zimtgeschmack kann nicht abschließend geklärt werden, was daran normannisch ist, nach Angaben von 46halbe mundet er ihr jedenfalls. Auch der dazu bestellte frisch gepreßte Orangensaft (4,50 Euro für 0,2 Liter) und der Espresso (zwei Euro) können überzeugen. Die schöne Espresso-Tasse mit dem Ampelmännchen gefällt ihr, der Inhalt hätte allerdings etwas heißer sein können.
Es ist gemütlich, man könnte sich hier fast festsitzen. Doch es scheint, daß wir den Mangeltag des Restaurants erwischt haben. Unvermittelt werden alle Tische umgeräumt, weiße Tischdecken aufgelegt, Stühle gerückt. Vermutlich findet abends eine geschlossene Veranstaltung statt. Das Stühlerücken mahnt uns zum Aufbruch.
In Anlehnung an unsere Demo dichtet naros kurz vor dem Gehen und frei nach dem Schlußsatz des grünen Ampelmännchens im DDR-Verkehrskompaß:
So ist’s richtig, so ist’s schön,
freundlich zeig ich meinen Schuh.
Mach schon Wulff, du kannst jetzt geh’n.
Komm gut heim und gib uns Ruh‘.
Hingehen sollten alle, die ein kuschliges künstliches Feuer hinter Glas genießen möchten, am Hack-Markt nicht ganz billige, aber qualitativ gute Nahrung suchen oder die einen besonderen Service im Ampelmann ausprobieren wollen: Ein Velo-Taxi kutschiert geneigte Gäste zum nahegelegenen S-Bahnhof oder zum Auto.
Ampelmann
am Monbijoupark, Stadtbahnbogen 159-160, 10178 Berlin
Tel. (030) 84 71 07 09
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