Zum dritten Mann

Das „Zum dritten Mann“ liegt in der Kollwitzstraße an der Ecke zur Sredzkistraße, und es ist heute eine Notlösung. Wir wollen eigentlich ins „Sowohl als auch„, das wir schon öfter getestet haben und mittlerweile aus Überzeugung besuchen. Aber das ist mal wieder überfüllt. So sind wir mit etwas Unbehagen im „Zum dritten Mann“ gelandet, denn schließlich nahm an dieser Stelle unser Frühstücksblog seinen Anfang, damals keinen angenehmen.

Aber: neuer Name, vermutlich neuer Betreiber, neues Glück. Schon leicht ausgehungert erobern wir in dem ausgesprochen leeren Lokal einen Platz an der großen Fensterfront zur Sredzkistraße. Gegen den noch kühlen Wind von draußen und die Zugluft hat der Betreiber eine innovative Methode verwendet, um die Fenster abzukleben: Gaffa! Offenbar befinden wir uns hier in bester Handwerkergesellschaft.

Der Blick in die Karte macht sofort klar: Hier geht es um österreichische Kost, die Namen der Frühstücke sind eindeutig. Nichts anderes in dem Restaurant läßt zwar österreichisches Flair erahnen, also keine Trachten, Alpenmusik, nicht mal ein Arnold-Schwarzenegger-Poster. Außer den abgewetzten Dielen wirkt das Ambiente eher steril, ohne Tischdecken, dennoch erwarten wir unterbewußt einen betont hoffärtigen Kellner.

Immer auf der Suche nach dem perfekten Frühstück fällt 46halbe sofort die Eierspeis von Freilandeiern mit Frischkäse ins Auge. Sie kommt mit steirischem Gourmetschinken und Zwiebeln:

eierspeis

Eierspeis mit Frischkäse für 6,90 Euro.

Wir machen da nicht viele Worte: Es ist gerade das perfekte Mahl. Es sieht anfangs ein wenig leer auf dem Teller aus, sättigt jedoch in ausreichendem Maße. Der dazu genossene Grapefruitsaft (0,3 Liter für 3,30 Euro), der Latte macchiato (3,10 Euro) und ein Brotkorb mit verschiedenen Brötchen runden das Essen ab. Wir fragen den Kellner nach dem Namen der besonders gut schmeckenden dunklen Brötchen. Aus dem Stegreif weiß er keine Antwort, kontert aber mit der Aussage, daß er „hinten“ mal nachfragen könne. Er bleibt uns allerdings die Antwort schuldig. Wir tippen auf „a Spitzweck“.

naros durchsucht die Karte nach dem Eintrag mit den meisten Zutaten, der Hunger scheint beträchtlich. Er wählt das Frühstück „Innsbruck“. Die Gier nach Nahrung läßt ihn sogar noch ein zusätzliches Ei ordern. So sieht es aus:

innsbruck

Frühstück „Innsbruck“ für 8,20 Euro, plus Zusatz-Ei für 1,10 Euro.

Positiv fällt auf, daß der Obstsalat und vor allem der Käse frisch geschnitten serviert werden. Man kennt es nur allzu oft, daß sowohl Obst als auch Käsestücken schon angetrocknet oder letztere mit Packungsabdrücken versehen sind. Auch der Feldsalat ist knackig frisch und mundet. Die Marmelade hingegen kann nicht überzeugen, sie ist sehr süß, schmeckt statt frühlingshaft eher weihnachtlich und dominiert alles, worauf man sie schmiert.

Der wirklich große Hunger kann durch „Innsbruck“ nicht gestillt werden, das allerletzte der durchaus gutschmeckenden Brötchen muß mangels übriggebliebener Beläge mit Salz und Pfeffer gegessen werden. Dabei fällt die Pfeffermühle negativ auf: eine gigantische Fehlkonstruktion. Auffällig dagegen der Zuckerstreuer:

asia superior

Grüner Tee „Asia Superior“ für 2,90 Euro.

Wir glauben, daß der nun verbotene Verkauf von Glühlampen das Umformen derselben in Zuckerstreuer bewirkt und damit den einen oder anderen Glasbläser vielleicht wieder in Lohn und Brot gebracht hat. Der außerdem bestellte grüne Tee fällt leider zunächst durch ein nicht ordentlich abgewaschenes Schälchen auf, in dem allerdings dankenswerterweise Kandis angeboten wird.

Während nun der Tee und die Frühstücke verputzt sind, passiert etwas seltsames: Wir werden unsichtbar. Der leider auch nicht besonders hoffärtige Kellner sieht uns einfach nicht mehr, auch nicht, wenn wir winken. Es mag daran liegen, daß sich das Lokal langsam füllt, aber unser Wunsch nach Nachschub von koffeinhaltigen Heißgetränken bleibt zunächst unerfüllt, die leeren Teller bleiben stehen.

Dafür ergehen wir uns aber nicht in Betroffenheitskultur, auch nicht wegen der Rechtschreibfehler in der Karte, sondern diskutieren die Gentrifizierung, ACTA und was es sonst politisch zu besprechen gibt, während zu unseren Füßen die nicht gentrifizierbaren Kiezbewohner offenbar erwacht sind. Wir werden Zeugen der ausgedehnten Morgenhygiene der Prenzlberger Spatzen, die vor dem „Zum dritten Mann“ offenbar eine öffentliche Badeanstalt eingerichtet haben.

spatz

Spatzen beim morgendlichen Staubbad, kostenlos.

Irgendwann erhört der Kellner unser Flehen dann doch und nimmt die Bestellung für einen Espresso (2,10 Euro) und einen Cappuccino entgegen, ohne allerdings die Frühstücksteller mitzunehmen. Vielleicht möchte er uns noch ein wenig an das im Schnitt ganz angenehme Erlebnis erinnern.

cappuccino 

Cappuccino für 2,60 Euro.

Hingehen sollten alle, die im „Sowohl als auch“ keinen Platz finden, denn „Zum dritten Mann“ bietet durchaus gutes Frühstück, hat aber vor allem den Vorteil, daß man sofort einen Tisch findet. Wer sich von spartanischem Einrichtungsstil angezogen fühlt und nicht gleich schreiend rausrennt, wenn er mal eine Viertelstunde unsichtbar ist, kann sich hier durchaus wohlfühlen.

Zum dritten Mann

Kollwitzstraße 87, 10435 Berlin

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Filed under À la carte, Prenzlauer Berg

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