Auch abseits ausgetretener Frühstückspfade gibt es in Berlin mit Mut und Entdeckerfreude durchaus kulinarische Pretiosen zu finden. Das Risiko eines lentaculischen Fehlschlags besteht dabei natürlich immer. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Als waschechte Berliner würden geübte Frühstücker1 wegen der bekannten Touristengefahrenzone am Gendarmenmarkt die Gegend eigentlich meiden. Aber um es vorwegzunehmen: Wir haben den Besuch nicht bereut.
Dass wir nicht herausfinden konnten, wie man das Wort „Quchnia“ korrekt spricht, hielt uns – auch mangels bewährter Alternativen in der Gegend – nicht lange auf. Das beim Eintreten wie ein Café wirkende Lokal wirbt mit einer Art Untertitel für sich: Kaffee – Brot – Kultur.
Der Blick auf den Gendarmenmarkt, wenn man vor dem „Quchnia“ steht. Bild: Drantcom, Creative Commons BY-ND 2.0.
Der Kellner fragte uns beim Erstkontakt schon automatisch, ob wir die Karte auf Englisch wollen, denn das Publikum setzt sich aus dem in der Gegend zu erwartenden Touristenstamm, den ortsansässigen Bewohnern teurer Investment-Wohnungen mit Großsonnenbrillenproblem und erkennbarer Nichtzugehörigkeit zur Arbeitsgesellschaft sowie Pseudo-Neureichen mit Alexverbot zusammen.
Das schreckt uns aber nicht. Denn wir sind nicht nur hungrig, sondern auch neugierig. Wir schauen uns die Karte im Grunde nur sehr kurz an, denn auf dem Tisch steht ein (zweisprachiges) Hinweiskärtchen, das unsere Aufmerksamkeit erregt:
Hinweisschild für das Frühstück „Jakob’s“.
Das dort angepriesene „Frühstücks Menu“ löst zwar einen Agovis-Alarm bei uns aus, gepaart mit dem Deppenapostroph ist es aber irgendwie in sich stimmig und authentisch. So entscheiden wir uns beide für das Frühstücksensemble „Jakob’s“.
Die Frage von 46halbe „Kann ich das auch ohne Avocado haben?“ stößt auf zwei unmittelbare Reaktionen: erhebliches Unverständnis beim Kellner mit dem Hinweis, dass das kulinarisch schade wär, sowie der gleichzeitige Ausruf „Kann ich ihre Avocado auf meinem Frühstück haben!?“ bei Herrn Vroomfondel. Das bewog die noch leicht zweifelnde 46halbe dann doch, die unveränderte Avocado-Variante tapfer im Dienste der Wissenschaft auszuprobieren.
Der große frische Orangensaft kostet 6,50 €.
Noch vor dem schon heiß ersehnten Kaffee kommen die beiden großen frischgepreßten Orangensäfte. Sie schmecken wie erwartet gut.
Cappuccino, Einzelpreis 3,50 €. Für die laktosefreie Variante muss man allerdings einen Aufpreis von sechzig Cent berappen und damit also 4,10 €.
Wenig später gesellen sich dann die beiden Cappuccinos hinzu. Die „TTC“ (time to cappuccino) lag mit sechs Minuten im Schnitt.
Das Avocado-Gedicht aus „Jakob’s“. Kostet einzeln 9,50 €.
46halbe hat es nicht bereut, die Avocados zu testen: Diese Avocado-Frischkäse-Rührei-Speck-Sauerteigbrot-Mischung mit einem Hauch Limette ist schlichtweg köstlich! Herr Vroomfondel nickt nur genüsslich kauend.
Es gibt allerdings ein kleines Ärgernis mit den Messern: Dieses „Messerproblem“ hat vermutlich mit der Spülmaschine zu tun, denn der Griff des Schneidwerkzeugs besteht aus Holz und ist genietet. Aus den Zwischenräumen tritt Restwasser aus, so dass man die Hände abtrocknen kann, solange man lustig ist – sie sind nach erneutem Schneiden wieder feucht. Wir hielten unsere Abgunst darob angesichts der köstlichen Speise jedoch im Zaum.
Einen Abzug in der „B-Note“ und letztlich der Grund, warum wir nach dem Essen nichts weiter bestellten, sondern recht schnell das Weite suchten: Die Tür des Lokals, vor dem auch Tische in der Sonne standen, wurde im Laufe unseres Besuchs dauerhaft geöffnet. Das stellte sich nach einigen Minuten bei ungefähr zehn Grad Außentemperatur nicht mehr als allzu angenehm zum Verweilen heraus. Wir haben das zwar gegenüber einem Kellner auch angemerkt, aber die Tür blieb offen.
Ein gewisses Verständnis für die offene Tür konnten wir aufbringen: Ein Kellner, der sie dauernd öffnen und schließen muss, hat eine Motivation, sie irgendwann offenzulassen – zumal bei Sonnenschein. Weil er sich während der Arbeit permanent bewegt, wird ihm die kühle Luft nicht weiter auffallen. Wäre er allerdings aufmerksam, hätte er sehen können, dass Gästen an vielen Tischen drinnen fröstelte. Mal abgesehen davon, dass die Abgase der draußen sitzenden Raucher unweigerlich in den Laden strömten.
Für uns war der leckere Teil des Tages dann eben schneller vorbei, wir bezahlten zusammen 43,70 € (ohne Trinkgeld) und ließen die Avocado-Freuden hinter uns. Deshalb muss der Inhalt der durchaus ansehnlichen Kuchenvitrine dieses Mal unbewertet bleiben.
Hingehen sollten alle, die aus irgendwelchen Gründen am Gendarmenmarkt zum Frühstück gestrandet sind, gerne eine ebenso innovative wie leckere und überaus sättigende Avocado-Rührei-Speck-Sauerteigbrot-Kombination verdrücken und dabei Touristen begucken wollen.
Quchnia
Markgrafenstraße 36, 10117 Berlin-Mitte
Tel. (030) 30 20 60 92 86
- Diesmal waren 46halbe und Herr Vroomfondel als Testpersonen unterwegs. [↩]