Monthly Archives: April 2018

The Bowl

Wer vor Eintritt in ein Lokal noch während der Anfahrt einen „Hipster-Alarm“ auf dem mobilen Retro-Computer sieht, macht sich auf Schlimmes gefasst. Wird es Echtholztische und Edison-Lampen geben, wird man ohne Sneaker schief angesehen? Der Hinweg zum „The Bowl“ an der Warschauer Brücke ist dennoch von Neugier und mutiger Vorfreude geprägt, denn die Hoffnung frühstückt ja bekanntlich zuerst.

Wir1 machen es uns am Fenster im warmen Sonnenschein gemütlich und freuen uns auf feinste Nahrung. Wir blicken durch eine große Fensterwand auf die Warschauer Brücke, die permanent von Bussen, Autos, Babybrummen und Straßenbahnen befahren wird. Doch davon hört man hier oben kaum etwas, denn wir sitzen im ersten Stock. Der Blick ist wunderbar, die Tische dort sind folglich sehr zu empfehlen.

blick aus dem fenster

Blick aus dem Fenster von „The Bowl“ auf die Warschauer Brücke.

So lassen wir unsere sonn-tägliche Stimmung nun gern zum Behufe des Lokals ausnutzen. Wie immer inspizieren wir zuerst die diesmal gänzlich tierproduktlose Speisekarte2 und ordern die Getränke. 46halbe bestellt einen Latte und ein Mineral-Spritz mit veganem Sirup in der Geschmacksrichtung Holunderbeeren mit Minze.

latte-vegan

Latte in veganer Ausführung für 3,50 €.

Als der Latte für 46halbe kommt, ist sie zunächst skeptisch: Kuhmilch im koffeinhaltigen Heißgetränk ist eigentlich ein Muss. Doch der Latte schmeckt ohne Abstriche. Dazu wird uns Rohrzucker3 gereicht.

Zucker, gekoernt

Rohrzucker, ansehnlich.

Wenig später gesellen sich die beiden anderen bestellten Getränke dazu:

mineral-spritz und latte

Mineral-Spritz (0,2 l) für 2,50 € und Turmeric Latte für 4,50 €.

laryllian hatte sich abenteuerlustig für einen Turmeric Latte4 mit Kurkuma entschieden. Entgegen haltloser anderslautender Erwartungen ist sein Latte jedoch gar kein Kaffee, sondern tatsächlich ein Getränk auf Reis-Mandel-Basis, das er als sehr wohlschmeckend beschreibt.

gelber latte

Nur zum neidisch werden: Detailaufnahme des Turmeric Latte.

Später ordert laryllian noch einen Cappuccino (2,90) sowie einen Mineral-Spritz Ingwer-Pflaume, den er aber als zu süß brandmarkt und geschmacklich darin einen deutlichen Pflaumenüberhang konstatiert.

Was das eigentliche Frühstück angeht, entscheidet sich 46halbe für gebackenen Blumenkohl mit Kichererbsen-Umarmung, selbstverständlich inklusiv und glutenfrei:

Blumenkohl als Frühstück

Gebackener Blumenkohl: 5,50 €.

Natürlich ist das kein eben typisches Frühstücksgericht, aber von althergebrachten Traditionen lassen wir uns nicht verunsichern. Wir essen schließlich unser Frühstück an diesem Tag gegen 13 Uhr. Und wo wir schon dabei sind, Traditionen zu brechen: Ganz gegen die sonstigen Gewohnheiten ordern wir auch eine Speise zum gemeinsamen Verzehr:

suesskartoffeln

„Süßkartoffel Fries“: 5,50 €.

Der gemeinsame Verzehr einer Speise gilt als riskant: Einer der Essenden kommt meistens zu kurz. Diesmal jedoch bleibt die Aufteilung fair und damit ohne Gabelhacken um die letzten Stückchen, großartig.

Eingangs ist die Bedienung bei der Entgegennahme unserer Bestellungen ein wenig knurrig, später aber lächelt sie auch mal. Ansonsten bleiben wir weitgehend ungestört, es kann aber etwas dauern, bis das Geschirr abgeräumt wird.

Den höchsten Ausschlag auf der nach oben offenen Hipster-Skala erreicht diesmal die außerdem bestellte „Superfood Joghurt Bowl“, die sich laryllian gönnt.

superfood

„Superfood Joghurt Bowl“: 6,50 €.

Anders als 46halbe empfindet laryllian die Essensportionen als zu klein, was ihm allerdings oft so geht und daher nicht zu sehr in die Wertung einfließen soll. Es wird also noch eine Guacamole mit Mohrrüben, Sellerie und Gurken hinterhergenossen. Sie erhält trotz einsetzenden Sättigungseffekts hohes Lob: Sie ist frisch, gut gewürzt, ausgewogen und kommt mit einer dunklen und angenehm feuchten Körnerbrotkombination.

Vanilla Almond Cake

Guacamole: 4,50 €.

Zum Schluss gönnen wir uns dann noch einen letzten Gang in Form gar göttlicher Gaumen-Glorie: Wir bestellen nichtsahnend einen Vanilla Almond Cake für laryllian und eine Schokokuchen-Kokos-Mousse für 46halbe.

Vanilla Almond Cake

Vanilla Almond Cake: 5,50 €.

Beim ersten Schmecken der Schokolade blicken wir uns tief in die Augen, beide mit einem wissenden Blick, der sagt: Sollte es mit der Welt einst zu Ende gehen, dann bitte mit diesem Geschmack von zarter, aber sehr präsenter Schokoladennote, wunderbar luftig, doch auch tief und mächtig, mit einem Ideechen Kokos, aber gerade nur so angedeutet wie ein Blütenhauch im Frühlingswind. Na gut, man merkt uns an dieser Beschreibung unsere Begeisterung wohl an, aber wir wollen sie auch nicht verbergen.

Schokokuchen Kokos Mousse

„Schokokuchen Kokos Mousse“: 4,50 €.

Der Kuchen wird von 46halbe mit einem ebenso seeligen Lächeln verspeist. Unser Fazit zum Nachtisch: Dringend als Aussteuer geeignet, grandioser Genuss garantiert, allein für das Dessert würde eine Hochzeitsfeier lohnen.

Fast ein bisschen zu gut gesättigt für insgesamt 47,90 (ohne Trinkgeld) und rundum froh verlassen wir das Etablissement, um noch wohlig verdauend und plaudernd zu flanieren.

Hingehen sollten alle, die von Kellnern nicht übermäßig oft belästigt werden möchten, an den Toiletten auch mal das Anstehen verkraften können, Wert auf fleischfreie Speisen mit spannenden Gewürzen sowie köstliche Nachspeisen legen, aber damit klarkommen, eine Speisekarte voller Agovis-Probleme zu lesen.

The Bowl
Warschauer Straße 33, 12043 Berlin
Telefon: 030 / 29 77 14 47
the-bowl.de

Eine Außenansicht auf das Haus findet sich an dieser Stelle. Die Aufnahme ist von der Warschauer Brücke aus entstanden. Unten im Haus ist ein Bio-Markt, der offenbar auch sonntags offen ist.

Die Fotos oben wurden mit einem Fairphone Zwo gemacht.

  1. Es trafen sich zum Frühstücksfest: 46halbe und laryllian. []
  2. Natürlich sind es nicht nur die Speisen, die ein schönes Frühstück wirklich ausmachen, sondern im Kern die Begleitung. :} []
  3. Mit der typischen braunen Färbung und grob gekörnt. []
  4. Ja, wir haben das auch nachgeschlagen, aber erst danach. []

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Zehn Jahre danach: Nola’s am Weinberg

Dieses Frühstücksblog besteht seit mehr als zehn Jahren. Nicht nur deswegen haben wir beschlossen, einige der früher bereits besuchten Orte nochmals heimzusuchen und die verzehrbare Wertarbeit Berliner Frühstücksprofis erneut auf Gaumentauglichkeit und optische Reize zu überprüfen. Wir1 versuchen es zuerst im Nola’s am Weinberg. Im Sommer vor zehn Jahren hatte unser Testteam auf der Terrasse gesessen, dafür ist der März allerdings diesmal zu kühl.

Drinnen sitzen wir aber auch wunderbar: vor einer großen Fensterfläche, durch die helles Licht fällt. Wir können viel vom Berliner Himmel sehen, nur leider an diesem Tag so gar keine Sonne. An der Wand prangt ein historisch anmutendes Paar Skier, ein Regal steht voller Weinflaschen und die Musik säuselt angenehm leise, immer im Hintergrund wahrnehmbar, aber nie störend.

Zur besseren Vergleichbarkeit suchen wir nach den Speisen, die vor zehn Jahren genossen wurden, und bestellen das Frühstück „Der Ami z’Morgä“. Wie man das korrekt ausspricht, erfahren wir nicht: Das Personal beherrscht kein Schweizerdeutsch, gibt das aber auch freimütig zu. Niemand von uns ahnt also, wie man gewisse Speisen in der Karte ausspricht. Unsere Bedienung gibt verschmitzt zu bedenken, dass es vielleicht auch besser wäre, es nicht zu versuchen – jedenfalls als Nichtschweizer.

Das Frühstück steht nach nur kurzer Zeit bereit:

o-saft

Frühstück „Der Ami z’Morgä“: 12,- €.

Den optischen Vergleich zur damaligen Version braucht es jedenfalls nicht zu scheuen.

Zum Frühstück gehören zwei kleine Pancakes, ein Bagel mit Rukola und einem unbekannten weißen, cremeartigen Milchprodukt drauf sowie genügend knuspriger Bacon. Dazu gab es noch einen Obstsalat, der aber etwas kühl war, geschmacklich jedoch nicht enttäuschte.

Den dazu kredenzten Honig beschreibt benks gleich zweimal als „köstlich“, während er ihn in fluffige Pancakes eingesogen verzehrt.

ruehrei

Rührei mit Toast und Salat: 6,- €.

Das damals bestellte gemischte Frühstück finden wir allerdings nicht mehr auf der Karte, so wird ein klassisches Rührei geordert. Leider muss mal wieder ein unangekündigter Tomatenalarm ausgerufen werden, der nur durch einen beherzt zielgerichteten Gabeleinsatz des Tischgegenübers nicht zu einem jähen Ende des kulinarischen Feldversuchs führt.

Zum Rührei bestellt wurde noch ein frisch gepresster Orangensaft, der in kleiner Ausführung 3,50 Euro kostet.

cappuccino

Cappuccino für je 3,- €.

Wir haben nach dem Essen noch mehrere koffeinhaltige Heißgetränke bestellt, wohlwissend, dass dann der Zahnklempner beim nächsten Besuch wieder Ermahnungen aussprechen würde. Aber sowohl der Cappuccino als auch der Soya-Macchiato schmeckten eben nach mehr. Die Latte-Kunst der Gattung Farngewächs erfreute zusätzlich. Der ganz normale Kaffee kostet 2,50 Euro.

cappuccino

Jetzt kostet der Latte Macchiato je 3,50 €. Sojamilch wird auch angeboten.

Der zweite Cappuccino hatte übrigens einen kaum sichtbaren Tropfen übergelaufener Milch auf dem Löffelchen, den die Bedienung beim Abstellen bemerkte. Ohne zu zögern wollte er die Tasse wieder ergreifen und meinte: „Ich bringe einen neuen Cappuccino.“ Das haben wir aber dann doch als übertrieben abgelehnt. Mit einer Rechnung von zusammen 37 Euro ohne Trinkgeld waren wir in jeder Hinsicht gut bedient.

Hingehen sollten alle, die kein Netz brauchen, aber einen erfreulichen Ausblick mit überdurchschnittlich viel Himmelsfläche zu schätzen wissen, gleichzeitig einen Preis zu zahlen bereit sind, der selbst in einem Portemonnaie vom Typ Wuchtbrumme auffällt, aber durchaus im Verhältnis zu Qualität und Menge des Dargebotenen steht.

Nola’s am Weinberg
Veteranenstraße 9, 10119 Berlin-Mitte
Tel. (030) 440 407 66
Webseite, Blick auf das Lokal im Sommer

  1. Diesmal 46halbe erstmals mit benks unterwegs. []

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Quchnia

Auch abseits ausgetretener Frühstückspfade gibt es in Berlin mit Mut und Entdeckerfreude durchaus kulinarische Pretiosen zu finden. Das Risiko eines lentaculischen Fehlschlags besteht dabei natürlich immer. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Als waschechte Berliner würden geübte Frühstücker1 wegen der bekannten Touristengefahrenzone am Gendarmenmarkt die Gegend eigentlich meiden. Aber um es vorwegzunehmen: Wir haben den Besuch nicht bereut.

Dass wir nicht herausfinden konnten, wie man das Wort „Quchnia“ korrekt spricht, hielt uns – auch mangels bewährter Alternativen in der Gegend – nicht lange auf. Das beim Eintreten wie ein Café wirkende Lokal wirbt mit einer Art Untertitel für sich: Kaffee – Brot – Kultur.

gendarmenmarkt

Der Blick auf den Gendarmenmarkt, wenn man vor dem „Quchnia“ steht. Bild: Drantcom, Creative Commons BY-ND 2.0.

Der Kellner fragte uns beim Erstkontakt schon automatisch, ob wir die Karte auf Englisch wollen, denn das Publikum setzt sich aus dem in der Gegend zu erwartenden Touristenstamm, den ortsansässigen Bewohnern teurer Investment-Wohnungen mit Großsonnenbrillenproblem und erkennbarer Nichtzugehörigkeit zur Arbeitsgesellschaft sowie Pseudo-Neureichen mit Alexverbot zusammen.

Das schreckt uns aber nicht. Denn wir sind nicht nur hungrig, sondern auch neugierig. Wir schauen uns die Karte im Grunde nur sehr kurz an, denn auf dem Tisch steht ein (zweisprachiges) Hinweiskärtchen, das unsere Aufmerksamkeit erregt:

hinweisschild

Hinweisschild für das Frühstück „Jakob’s“.

Das dort angepriesene „Frühstücks Menu“ löst zwar einen Agovis-Alarm bei uns aus, gepaart mit dem Deppenapostroph ist es aber irgendwie in sich stimmig und authentisch. So entscheiden wir uns beide für das Frühstücksensemble „Jakob’s“.

Die Frage von 46halbe „Kann ich das auch ohne Avocado haben?“ stößt auf zwei unmittelbare Reaktionen: erhebliches Unverständnis beim Kellner mit dem Hinweis, dass das kulinarisch schade wär, sowie der gleichzeitige Ausruf „Kann ich ihre Avocado auf meinem Frühstück haben!?“ bei Herrn Vroomfondel. Das bewog die noch leicht zweifelnde 46halbe dann doch, die unveränderte Avocado-Variante tapfer im Dienste der Wissenschaft auszuprobieren.

2 o-saft

Der große frische Orangensaft kostet 6,50 €.

Noch vor dem schon heiß ersehnten Kaffee kommen die beiden großen frischgepreßten Orangensäfte. Sie schmecken wie erwartet gut.

2 cappuccino

Cappuccino, Einzelpreis 3,50 €. Für die laktosefreie Variante muss man allerdings einen Aufpreis von sechzig Cent berappen und damit also 4,10 €.

Wenig später gesellen sich dann die beiden Cappuccinos hinzu. Die „TTC“ (time to cappuccino) lag mit sechs Minuten im Schnitt.

jakob sein fruehstueck

Das Avocado-Gedicht aus „Jakob’s“. Kostet einzeln 9,50 €.

46halbe hat es nicht bereut, die Avocados zu testen: Diese Avocado-Frischkäse-Rührei-Speck-Sauerteigbrot-Mischung mit einem Hauch Limette ist schlichtweg köstlich! Herr Vroomfondel nickt nur genüsslich kauend.

Es gibt allerdings ein kleines Ärgernis mit den Messern: Dieses „Messerproblem“ hat vermutlich mit der Spülmaschine zu tun, denn der Griff des Schneidwerkzeugs besteht aus Holz und ist genietet. Aus den Zwischenräumen tritt Restwasser aus, so dass man die Hände abtrocknen kann, solange man lustig ist – sie sind nach erneutem Schneiden wieder feucht. Wir hielten unsere Abgunst darob angesichts der köstlichen Speise jedoch im Zaum.

Einen Abzug in der „B-Note“ und letztlich der Grund, warum wir nach dem Essen nichts weiter bestellten, sondern recht schnell das Weite suchten: Die Tür des Lokals, vor dem auch Tische in der Sonne standen, wurde im Laufe unseres Besuchs dauerhaft geöffnet. Das stellte sich nach einigen Minuten bei ungefähr zehn Grad Außentemperatur nicht mehr als allzu angenehm zum Verweilen heraus. Wir haben das zwar gegenüber einem Kellner auch angemerkt, aber die Tür blieb offen.

Ein gewisses Verständnis für die offene Tür konnten wir aufbringen: Ein Kellner, der sie dauernd öffnen und schließen muss, hat eine Motivation, sie irgendwann offenzulassen – zumal bei Sonnenschein. Weil er sich während der Arbeit permanent bewegt, wird ihm die kühle Luft nicht weiter auffallen. Wäre er allerdings aufmerksam, hätte er sehen können, dass Gästen an vielen Tischen drinnen fröstelte. Mal abgesehen davon, dass die Abgase der draußen sitzenden Raucher unweigerlich in den Laden strömten.

Für uns war der leckere Teil des Tages dann eben schneller vorbei, wir bezahlten zusammen 43,70 € (ohne Trinkgeld) und ließen die Avocado-Freuden hinter uns. Deshalb muss der Inhalt der durchaus ansehnlichen Kuchenvitrine dieses Mal unbewertet bleiben.

Hingehen sollten alle, die aus irgendwelchen Gründen am Gendarmenmarkt zum Frühstück gestrandet sind, gerne eine ebenso innovative wie leckere und überaus sättigende Avocado-Rührei-Speck-Sauerteigbrot-Kombination verdrücken und dabei Touristen begucken wollen.

Quchnia

Markgrafenstraße 36, 10117 Berlin-Mitte
Tel. (030) 30 20 60 92 86

Webseite

  1. Diesmal waren 46halbe und Herr Vroomfondel als Testpersonen unterwegs. []

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