Monthly Archives: Februar 2013

Liberda

Das heutige Frühstücksgourmet-Team1 hat sich auf den Weg nach Neukölln ins Liberda gemacht. Hier galt es zwischen frisch auf alt gemachten Wänden und einfachen Holzmöbeln, die viel zu eng aneinander standen, einen Platz zu finden, den man ohne körperliche Quetschungen besetzen konnte, aber der trotzdem von der Bedienung erreichbar war, zu finden. Wir scheiterten. Am Anfang war zwar noch eine kleine Gasse zur Theke vorhanden, aber im weiteren Verlauf des Tages wurden die Gäste immer mehr ineinander gestapelt.

Innenansicht Liberda

Innenansicht

Am Anfang war aber noch alles überschaubar und die freundliche, wenn auch etwas verhuscht wirkende Servicekraft, vermochte es innerhalb akzetabler TTH2 einen schwarzen Darjeeling zubereiten zu lassen und zu servieren. Positiv soll hier hervorgestellt werden, dass es sich dabei um losen Tee in einem frischen Filterbeutel handelte, ein Umstand, der den männlichen Teil der Testmannschaft mit hoher Zufriedenheit erfüllte.

Schwarzer Darjeeling 1,80 € (Es gibt auch Grünen)

Schwarzer Darjeeling (1,80 € - Es gibt auch Grünen)

Die von Optionsparalyse betroffene Dame des Teams war nicht so entscheidungsfreudig, entschied sich aber nach reiflicher Überlegung für einen Milchkaffee und ein süßes Frühstück. Damit aber nicht genug der Auswahlmöglichkeiten. In dem süßen Frühstück gab es noch diverse Falltüren: Joghurt oder Vanillequark zu den Früchten? Nutella oder Marmelade? Wurst oder Käse? Nachdem diese Hürden genommen waren, bestellte die Testerin wie im Rausch noch eine Extraportion Parmaschinken, die auch ohne Murrren geliefert wurde.

Süßes Frühstück (4,90 €) mit Extra-Parmaschinken (1,90 €)

Süßes Frühstück (4,90 €) mit Extra-Parmaschinken (1,90 €)

Alle anderen anwesenden Parteien entschieden sich für ein englisches Frühstück. Nicht so sehr, weil danach ein unglaublicher Heißhunger bestand, sondern vielmehr im Dienst am Leser, da ein englisches Frühstück eine weitgehend normalisiert formatierte Standardgröße ist, nach deren Qualität sich leicht Ableitungen auf den Rest eines Etablissements errechnen lassen.

Englisches Frühstück (7,70 €)

Englisches Frühstück (7,70 €)

Die Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden, wenn es auch leider die waren, dass sich an einem Frühstück oft Rückschlüsse auf die Gesamtqualität des Angebots schließen lassen. Aber der Reihe nach: Das englische Frühstück erwies sich als weitgehend okay. Zu einer besseren Bewertung konnte es nicht kommen, da sich bei näherer Untersuchung folgende Mängel nachweisen ließen: Die Bohnen waren nur lauwarm, die Würstchen kurz vor fade und der Bacon zu zäh. Lediglich die Orangenmarmelade stach positiv hervor.

Extrastarker Latte Macchiato (3,80 €)

Extrastarker Latte Macchiato (3,80 €)

Das süße Frühstück erwies sich hingegen als eine gute, abwechslungsreiche und sättigende Variante mit frischen Brötchen, die die Testerin ohne große Beanstandung so weiterempfehlen würde, sich allerdings auch damit schwer tat besondere Höhepunkte des Geschmackserlebnisses benennen zu können.

Mousse au Chocolat & Tiramisu. Creme Brulée war leider aus. (je 3,90 €)

Mousse au Chocolat & Tiramisu. Creme Brulée war aus. (je 3,90 €)

Nach dem klimaxlosen Frühstück wurde die Aufmerksamkeit der anwesenden Gourmetiker auf eine simple Tafel gelenkt, welche hausgemachte Desserts versprach, welche ohne weitere Umschweife bestellt wurden. Mittlerweile war der Laden so gut gefüllt, dass sich Bestellungen und Lieferzeiten etwas in die Länge zogen – vielleicht sind anderthalb Servivekräfte für zwei Zimmer voller Leute doch zu wenig.

Als dann die Nachtischbestellungen doch noch zum Vollzug kamen, stellte sich leider heraus, dass die Bedeutungshoheit des Wortes  „hausgemacht“ schamlos ausgenutzt wurde. Sowohl bei der Mousse als auch bei Tiramisu handelt es sich nach einhelliger Expertenmeinung um industriell produzierte Ware oder vielleicht auch langgelagerte Inhouse produzierte Instantsüßspeisen handeln muss, die von einer klebrigen Pappigkeit waren. Vor allem die Schokoladenspeise scheint vor allem für das Reenactment eines bekannten Kurzfilmes gedacht zu sein, bei dem zwei junge Damen und ein Trinkgefäß eine wichtiger Rolle spielen.

Das Liberda ist empfehlenswert für Freunde des antik angetäuschten italienischen Flairs3, die sich mit einem guten, preislich fairen, aber nicht außergewöhnlichem Frühstück mit leichten Mäkelabstrichen in der B-Note zufrieden geben. Von weiterem Verzehr pappiger Süßspeisen raten die Tester allerdings dringend ab.

Liberda
Pflügerstr. 67, 12047 Berlin

Tel. (030) 62 90 33 67

 

  1. bestehend aus M. und Teresa []
  2. Time To Heißgetränk []
  3. das bedeutet auch: beengete Sitzverhältnisse []

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Filed under À la carte, Netz: Gratis, Neukölln

Bateau Ivre

Schon beim Betreten des Ladens, der wie eine Mischung aus aufgeräumter Rumpelkammer und großzügiger Kemenate wirkt, wird klar: Hier erwartet den Besucher der entspannt-kumpelhafte Charme dessen, was Touristen und vor weniger als zehn Jahren Hinzugezogene für authentischen Kreuzberger Stil halten. Die Bedienung wird noch von Erwachsenen erledigt, die Scheiben könnten mal geputzt werden, Tischdecken sind unnötig.

Den besonderen Kreuzberger Charme beweist eingangs einer der Gästebetreuer (mit Hut), der einem Teil des Dokumentationsteams1 sofort auf die Pelle rückt, als dieser versucht, ein Panoramabild der Örtlichkeit zu erstellen: „Du mußt aber fragen, bevor Du den Leuten die Gesichter klaust!“ Hier herrschen noch diskrete Sitten, hier kümmert sich der Wirt noch um die Belange seiner Kunden. Entsprechend haben wir selbstredend die Gesichter im Panoramabild unkenntlich gemacht.

panorama-blick

Nehmt Euch ein Vorbild an uns.

Fortan scheint es, als hege der Schankwirt einen empfindlichen Groll gegen den Fotographen, doch bevor der sich einen Sekundanten besorgt, wird doch noch eine Bestellung entgegengenommen. Kamillentee, und zwar nicht im schnöden Papierbeutel, sondern frisch und lose, wie es sich gehört.

kamillentee

Kamillentee: 2,30 €.

Derart gut gestimmt wird das eigentliche Frühstück geordert. Die Auswahl in der Karte ist hier, wir sagen wir es mal diplomatisch, übersichtlich. 46halbes mutige Frage nach einem Rührei, das auf der Karte nicht zu finden ist, wird mit einer Absage quittiert. Doch eine schlanke Karte ist ja oft ein ansprechendes Zeichen einer Küche, die sich auf die wesentlichen, aber dafür guten Dinge konzentriert. So auch hier, denn das Essen findet schon nach wenigen Minuten seinen Weg zu unserem Platz, allerdings etwas anders, als sich die Expeditionsgruppe das vorgestellt hat.

Vor 46halbes Nase manifestiert sich ein köstlich aussehender, aber leider nicht bestellter Joghurt mit Früchten, den sie sogleich ins Herz schließt. Der Fotobeweis zeigt die optischen Reize:

fruechte-joghurt

(Unbestellte) Früchte mit Joghurt: 4 €.

Mit Gegenwehr reagiert sie auf die versuchte Wegnahme des Joghurts, was verhaltenspsychologisch in gewisser Weise eine Selbstverständlichkeit ist. monoxyd kann zwar nicht an sich halten und erklärt dem Kellner, daß wir das nicht bestellt hätten. Doch 46halbe kann mit geübtem Rehblick genug Überzeugungskraft aufbringen, um den Joghurt behalten und verspeisen zu dürfen.

franzose

Frühstück „Der Franzose“, 3,80 €.

Das von 46halbe regulär bestellte Frühstück „Der Franzose“ ist ein frugales Mahl, nur bestehend aus einem Croissant, etwas Erdbeermarmelade, dazu Butter und ein Milchkaffee inklusive. Zusätzlich gibt es ein Stück in Scheiben geschnittenes Baguettebrot. Für 46halbe ist es der perfekte Morgen, allerdings nur, weil auch der Joghurt seinen schicksalhaften Weg zu ihr gefunden hat.

Nach dem Essen wird sogar noch ein zweiter Milchkaffee (2,30 Euro) bestellt, auch weil die entspannte Atmosphäre, das eingespielte und freundliche Service-Team zum Verweilen anregt. Trotz anwesenden Hunden, Babies und laufender Musik ist es nicht wirklich laut im Laden, sondern in normaler Gesprächslautstärke zu weiteren Heißgetränken einladend.

wurstfruehstueck

Wurstfrühstück, klein: 5 €.

Da monoxyd von vornherein klar ist, daß ein frugaler Franzose lediglich eine Ergänzung sein kann, bestellt er ein Wurstfrühstück in der kleinen Variante. Anfängliche Bedenken, es könne sich hier um einen carnivoren Minimalteller handeln, zerstreuen sich ebenso schnell wie die Befürchtung, daß hier billige Plastewurst gereicht wird. Es handelt sich vielmehr um eine ansprechende Menge fleischlicher Genüsse, die höchst zufriedenstellend aussehen und schmecken.

Bemerkenswerterweise gibt es dieses Frühstück auch noch in „mittel“ und „groß“ sowie in den Ausprägungen „Käse“ und „gemischt“, hier ist also für jeden nicht-veganen Geschmack ausreichend gesorgt. Als ebenso positive Überraschung erweist sich das zusätzlich georderte Frühstücksei, das in Kochzeit und Konsistenz der Perfektion erstaunlich nahekommt.2

ei

Ei, gekocht: ein €.

Mit anderen Worten: Die Speisen sind ein voller Erfolg und machen den natürlichen Kreuzberger Charme und anfängliche Irritationen mehr als wett, und auch die koffeinhaltigen Heißgetränke sind annehmbar bis gut. Um uns herum bemerken wir allerdings andere Frühstücksgewohnheiten: Wie Ur-Kreuzberger wirkende Gestalten bestellen statt Kaffee und Brötchen einfach Rotwein und Wasser. Kann natürlich auch sein, daß das als Touristenattraktion nur simuliert wird. :}

Hingehen sollten alle, die sich mit einem guten, kräftigen Frühstück, Überraschungsservierungen, Laptop-freien Stunden und einer gewissen Punk-Attitüde anfreunden können. Letzteres ist weit mehr als leeres Geschwafel, was ein kurzer Blick in die Sanitäranlagen zeigt, der beweist, daß hier der Begriff „Porzellanthron“ wörtlich genommen wird, denn etwaige frei schwenkbare Auflagen zur Bequemlichkeit wurden vollständig entfernt. Ob das damit zu tun hat, daß Gäste, die schon in den frühen Morgenstunden dem ein oder anderen Glas Wein nicht abgeneigt sind, keine Seltenheit zu sein scheinen, müßte allerdings in einer Langzeitstudie untersucht werden.

Bateau Ivre
Oranienstr. 18, 10999 Berlin
Tel. (030) 614 03 659
Außenansicht

  1. 46halbe war mit monoxyd unterwegs, der nichtsahnenderweise die Kamera schwang. []
  2. Das Weiße hart, das Gelbe weich, aber nicht zu flüssig. []

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Filed under À la carte, Kreuzberg

The Barn

Mittags rum in Berlin einen überdurchschnittlichen Kaffee zu bekommen, ist in den letzten Jahren leichter geworden. Mehrere bemerkenswerte Kaffeeläden und -röstereien haben eröffnet, ein paar mit hohem eigenen Anspruch. Dazu gehört The Barn, dessen neue und größere Filiale in der Schönhauser wir kurz nach der Eröffnung unter die Lupe nehmen wollten.1
Betritt man den Laden zum ersten Mal, fallen sofort die großen ungenutzten Flächen ins Auge. Die typische Aufteilung in Berliner Cafés orientiert sich häufig an der Optimierung des Raumes, was Sitzplätze, Tische und Tresen angeht. Nicht so im The Barn: An den Wänden und Fenstern sind einige wenige Bänke und Hocker, minimale flache Tischchen davor. Der Rest des Raumes besteht aus kahlem Boden. Der riesige Tresen wirkt so wie der Altar einer Kathedrale.
kathedrale

Holz und warmes Licht.

Welchen Sitzplatz man auch immer wählt, man hat ein „no laptop“-Schild in Sichtweite. Ein gewisses Verständnis für die Absicht des Betreibers, nicht noch ein weiteres der Berliner Cafés zu werden, das zum Zweitbüro für die Horden an Pseudokreativen mutiert, werden vermutlich viele Besucher aufbringen. Aber durch die Schilder setzt trotzdem ein Gefühl ein, das eine Art Leitmotiv unseres Besuches werden soll: Bevormundung.
no laptop

Keine Computer erwünscht, Mobiltelefone aber geduldet.

Angenehmerweise wird man im The Barn zwar nicht mit zu lauter oder unpassender Musikkulisse zwangsbeschallt,2 aber den wirklich unangenehmen Aspekt der Bevormundung bekommt man gerade dann zu spüren, wenn es um Kaffee geht.
kaffee an tischchen

Guter Kaffee ist nicht billig.

Ein Beispiel ist die Frage der Milchabgabe an Gäste. Man mag es für selbstverständlich halten in einem Kaffeeladen, daß manche Menschen ihren Kaffee mit Milch mögen und sie daher angeboten wird. Im The Barn jedoch bekommt man nur eine Sorte Kaffee mit Milch. Es wird zwar auf die elaborierten neudeutschen Bezeichnungen für koffeinhaltige Heißgetränke wie Cappuccino, Flat White, Café au lait und dergleichen verzichtet, es gibt auch nur drei Größen an ausgeschenktem Kaffee (4oz, 8oz und 12oz), allerdings wird man aus der vorhandenen Auswahl an Bohnen auf eine einzige Sorte festgelegt, die man mit Milch genießen darf. Auch auf Nachfrage bekommt man keinen anderen Kaffee mit Milch.
roester

1955er Probat-Röstmaschine, drinnen läuft die „Cropster Roast Profiling Software“.

Wir haben also nur die Wahl zwischen einer aeropress-Zubereitung und klassischem Filterkaffee. Dies wird zudem mit geübtem geringschätzigen Blick mitgeteilt, der einen auch gleich beim Gang zum Zucker – nur um die Säure zu bändigen! – begleitet. Immerhin kommt der Zucker mit einem mehr oder weniger freundlichen Hinweis neben dem Schälchen.
hinweisschild am zucker

„We find that you get the best impression of all flavours of our coffee when you enjoy it without sugar.“ Wir nicht.

Zweifelsohne entstehen die Espresso-shots auf der Marzocco unter größter Mühwaltung, wir fragen uns jedoch, ob angesichts der guten Lage für Laufkundschaft aller Couleur an der Schönhauser es denn nun wirklich für den Milchkaffee eine Bohne sein muß, die maximal einen Nischengeschmack bedient. Man kommt sich ein wenig vor wie in einem Programmkino, dessen Ausstattung und Technik Spitzenklasse ist, aber das in der Auswahl des Programms und im Service provinziell bleibt.
Zucker aus Mauritius

Unbehandelter Zucker aus Mauritius, reich an Vitaminen und Mineralien.

Neben „no milk“ und „no laptop“ gilt auch der Grundsatz „no pram“, forciert durch einen Anti-Kinderwagen-Poller an der Tür. Über diese Kinderwagensperren wird schon länger diskutiert, auch da sie in Berlin gefühlt leicht steigende Tendenz aufweisen. Doch solche Diskussionen bleiben reichlich abstrakt, bis man mal Augenzeuge wird, wie solche Poller in der Praxis funktionieren.
kinderwagenblockierer

So sieht ein Kinderwagenblockierer aus.

Denn tatsächlich betritt eine Mama mit Wagen zum Ende unseres Besuches hin das Lokal. Vielmehr versucht sie es, denn der Poller blockiert den Kinderwagen. Der Grund der Blockade ist für den Schiebenden des Gefährts aber nicht unmittelbar sichtbar, so daß sie anfangs versucht, an der Sperre vorbeizufahren, während der Barista hinter dem Tresen abwartend gespannte Haltung annimmt. Erst als die Mutter versteht, daß es sich um eine dafür konstruierte Kinderwagensperre handelt, machen sie und ihre Begleiterin kehrt.
Die Szene löst bei 46halbe den Reflex aus, den Laden umgehend zu verlassen. Wir verzichten auf das Ausprobieren der Nahrung, es war ohnehin mal wieder alles voller Tomaten.
Hingehen sollten alle kinderlosen laktoseintoleranten Liebhaber saurer Kaffees, die des Englischen mächtig sind und gern bei einem makellos zubereiteten koffeinhaltigen Heißgetränk in aller Stille ihre Klaustrophobie in einem wie von Werbern erdachten „back to the basic“-Kaffeekathedralenambiente auskurieren möchten. Kaffeephilister hingegen werden hier die Nase rümpfen.
  1. 46halbe hat sich mit nibbler einen echten Kaffeeliebhaber als Unterstützung angelacht. []
  2. Vermutlich dank GEMA ohnehin ein zu kostspieliges Unterfangen. []

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Filed under Nicht wirklich Frühstück, Prenzlauer Berg