Monthly Archives: August 2007

Rote Harfe

In der Nähe des SO36 in der Oranienstraße befindet sich die Rote Harfe, ein Lokal mit langer Tradition. Heute firmiert es als “Orient-Lounge” mit neuem Besitzer, aber verändertem Konzept. Das konnten wir1 nicht ahnen, als wir uns dort zum Frühstück trafen. Da es trotz Sonnenscheins etwas zu kühl zum Draußensitzen war, entschieden wir uns für einen kleinen Tisch drinnen am Fenster.

Beim Eintritt empfing uns an der großen Kreidetafel der Hinweis auf das Wochen-Special: Baby-Steinbutt in Nußbutter mit Fenchel. Ui, das klang erstmal einladend, allerdings nicht zum Frühstück. Wenig später hatten wir die Speisekarten und den obligatorischen Latte macchiato (für 2,60 Euro) auf dem Tisch, der zu unserer Freude mit Wasser serviert wurde. Während wir wie immer unschlüssig die Wahl der Frühstücke diskutierten und uns das Wasser bereits im Munde zusammenlief, warteten wir darauf, bestellen zu können.

Wir warteten und warteten. erdgeist hatte sich längst für das Kleine Gemischte Frühstück entschieden, 46halbe hatte aufgrund unterdurchschnittlichen Hungers das Französische Frühstück gewählt. Irgendwann hatten wir bereits Schwächeanfälle wegen Unterzuckerung und fragten verzweifelt, aber höflich nach, ob wir bestellen dürften.

 

Kleines Gemischtes Frühstück: 5,40 €

Das Kleine Gemischte Frühstück kam nur wenige Minuten nach der erfolgreichen Bestellung und bestand aus Cervelatwurst, Schinken und Käse, sämtlich aus der Packung, sowie Camembert, Marmelade und Ei. Die unliebsame optische Zusammenstellung ohne Obstgarnitur, aber mit etwas Salat zauberte kein Lächeln auf erdgeists Gesicht. Auch der sofortige Ei-Verzehr änderte seine Stimmung nicht zum Besseren, denn dieses hatte offenbar nur sehr kurzen Kontakt mit heißem Wasser gehabt, war entsprechend weich, sehr weich.

Obwohl hungrig, fand erdgeist das Frühstück insgesamt fad und trocken. Die in Kreuzberg irgendwie deplazierte R’n’B-Musik, die uns die ganze Zeit etwas zu laut um die Ohren wehte, senkte die Stimmung zusätzlich. Nicht einmal die sekundären Geschlechtsmerkmale, welche die Kellnerin offenbar in aufmunternder Absicht deutlich exponierte, konnten erdgeist erfreuen.

Französisches Frühstück 

Französisches Frühstück: 4,10 €

46halbes Französisches Frühstück, das mit einem Milchkaffee serviert wurde, war übersichtlich, aber nett arrangiert. Das Croissant schmeckte zwar frisch, war aber recht mickrig. Das Preis-Leistung-Verhältnis war dennoch insgesamt angemessen.

Ein bereits aus einem anderen Lokal bekanntes Johannisbeeren-Problem soll hier nicht unerwähnt bleiben und mal grundsätzlich diskutiert werden. Ja, Johannisbeeren sind als saisonales Obst eine vorzügliche Idee als Garnitur und Farbtüpfelchen auf einem liebevoll dekorierten Teller. Sie schmecken nicht nur süß, sondern beerig-frisch und haben sogar das Potential, beim geneigten Gast gute Laune zu erzeugen und zugleich unbewußt mehr Trinkgeld aus ihm herauszukitzeln. Denn ist das Frühstück beispielsweise als Anbahnung intimer Beziehungen geplant, kann man die roten Beeren hingebungsvoll bis erotisch von der Rispe knabbern. Auch wenn der Frühstückspartner eher langweilig palavert, eignen sich die Johannisbeeren zum kreativen Zeitvertreib.

Ungewaschen werden sie jedoch zur Frühstücksbewertungsfalle! Denn sind sie nicht gewaschen, wird der Schmutz auf den Früchtchen zum Hingucker und offenbart lieblose Behandlung der zu verzehrenden Speisen vor dem Servieren. Und wie wir nicht nur aus diesem Blog, sondern auch aus hochwissenschaftlichen Forschungen wissen, reden die Gäste viel häufiger über Störendes, seien es auch Kleinigkeiten, als über Erfreuliches, das wie selbstverständlich hingenommen wird.

Hingehen sollten also alle, die sich in Kreuzberg sowieso etwas deplaziert fühlen, vom Fenster aus aber ein gutes Stück der Oranienstraße beobachten möchten, sich nicht daran stören, wenn das Abräumen ein Viertelstündchen dauert und deren Erwartungen ein Durchschnittsfrühstück nicht übersteigen.

Rote Harfe
Oranienstraße 13, 10999 Berlin
Telefon: 030 / 618 44 46
Rote Harfe

  1. 46halbe war wieder mit erdgeist frühstücken. []

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Filed under À la carte, Kreuzberg

Vivolo

Am zentral gelegenen Hackeschen Markt geht man ja als Berliner eigentlich nicht frühstücken, denn sich als Einheimischer unter die Touristen zu mischen, kommt normalerweise aus Prestigegründen nicht in Frage. Auch erwartet man überzogene Preise, unfreundliche Kellner, herumirrende Passanten und übervolle Lokale.

Aus Zeitgründen mußte allerdings diesmal eine Ausnahme gemacht werden. Wenn man zum Frühstücken nur etwa eine Stunde übrig hat und sich gerade in Mitte befindet, gilt das wohl als valide Ausrede, in eines der Restaurants in den S-Bahn-Bögen am von manchen Berlinern etwas liebkosend Hackmarkt genannten Platz zu gehen. Wir1 kehrten recht wahllos in das erstbeste Lokal ein, das Vivolo. Gemütlich setzten wir uns unter die breiten Sonnenschirme, es waren nur wenige andere Tische besetzt, also keine Spur von Touri-Schnellversorgungsgastronomie.

Nach kurzer Lektüre und Analyse der zehn verschiedene Frühstücke umfassenden Speisekarte, entschied sich 46halbe für “Sevilla”, fh wählte “Deportivo”. Wie die Namen schon vermuten lassen, bietet das Vivolo spanische Küche.

Sevilla       

Sevilla: 7,50 €

Sevilla und Deportivo wurden inklusive Heißgetränken serviert, womit die stolzen Preise einigermaßen zu rechtfertigen sind. Da wir beide bereits vor dem Durchsehen der Karte gierigerweise einen Latte macchiato (für je 3 Euro) geordert hatten, waren wir nun dem doppelten Koffeineinfluß ausgesetzt. Wir sahen dies jedoch nicht als Schaden an – im Gegenteil.

Zu dem Sevilla-Frühstück gehörten drei Crepes, die mit Pistazienkrümeln und Puderzucker bestreut und mit Erdbeerstückchen garniert waren. Dazu gab es Honig und zwei Marmeladen sowie einen Obstsalat. Insgesamt eine wohlschmeckende Kombination, die 46halbe jederzeit nochmal bestellen würde.

Deportivo  

Deportivo: 5,90 €

Zum Frühstück Deportivo gehörte außer dem schon erwähnten Heißgetränk noch ein kleiner frischgepreßter Orangensaft. Auf die Frage, wie es denn schmeckt, antwortete fh nur mit einem wohligen Knurren. Denn mit vollem Mund redet man nicht, wie wir aus unserer guten Kinderstube alle wissen. Später merkte er an, daß etwas Honig als Beigabe zu den Corn Flakes, dem Joghurt und dem Obstsalat noch besser gewesen wäre.

Das Frühstück hätte ein unerwartet angenehmes Erlebnis werden können, allerdings gab es zwei weniger erfreuliche Einschränkungen. Die eine sei durch das folgende Bild illustriert:

Wespen 

Wespen: kostenlos, viele

Es wurde zunehmend schwieriger, das leckere Frühstück zu genießen, denn die überaus schnelle interne Kommunikationsstruktur der ansässigen Wespen führte ein ganzes Heer dieser einzeln kaum störenden Zick-Zack-Flieger an unseren Tisch. Wir mußten letzten Endes kapitulieren und haben den Rest des nicht vollständig verzehrten Essens vordergründig den surrenden, sich darin suhlenden Viechern überlassen.

Hintenrum haben wir aber die Kellnerin gerufen, die uns nur wissend und etwas mitleidig anguckte und dann die Teller mitnahm. Nachdem das Essen abgeräumt war, ließ die Wespenplage zwar etwas nach, aber offenbar wollten die nun ungehaltenen Insekten ihrem Unmut über unsere mangelnde Kooperation beim Aufteilen der süßen Nahrung weiterhin deutlich machen.

Hingehen sollten also im Sommer nur Nicht-Wespen-Allergiker, die nicht auf den Pfennig, ähm Cent achten müssen, aber sympathisch und nett bedient werden möchten, vielleicht danach noch auf einen Sprung zur nahegelegenen Museumsinsel gehen und beim Frühstück ein paar Touris begucken wollen.

Vivolo, Am Zwirngraben 11-12, 10178 Berlin
Telefon: 030 / 246 31 933
Vivolo

  1. 46halbe hat mit fh gefrühstückt. []

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Filed under À la carte, Mitte

Marx

Einen malerischen Blick auf das tiefste Kreuzberg 36 bieten die unauffälligen vier Tische, die am Spreewaldplatz vor dem Marx1 die beiden Frühstückstester2 einluden. Es sollte eigentlich ein Geburtstagsfrühstück werden, nur der Jubilar hatte kurzfristig absagen müssen. Da das natürlich kein Grund ist, ein Frühstück gänzlich abzusagen, hatten wir uns entschlossen, das Marx allein zu testen.

Nach einem leckeren Milchkaffee (2,40 Euro) an der frischen Luft zogen uns Socializing-Umstände ins Innere des geräumig eingerichteten Restaurants. Dort wurden wir von einer über den Köpfen thronenden Marx-Büste empfangen, die an die große Statue früher in der Innenstadt von Karl-Marx-Stadt3 erinnerte.

Marx: kostenlos

Was als erstes auffiel: Der Kellner war dermaßen freundlich, ja gradezu herzlich, daß man unverzüglich gute Laune bekommen mußte. Hinzu kam, daß er über die gesamte Zeit aufmerksam alle Wünsche quasi von unseren Augen ablas – und einfach sexy war. Da das Marx nicht nur Frühstück serviert, sondern auch Bar und Cafe ist, werden wir nicht umhin kommen, diesen überdurchschnittlich guten Service demnächst mal nachts zu testen.

Als wir den ersten Blick in die Karte wagen wollten, fiel uns am Nebentisch ein äußerst delikat aussehendes Frühstück ins Auge. Nachfragen ergaben, daß es sich um das “Bauernfrühstück” handelte, was für 6,50 Euro zu haben ist. Das Bauernfrühstück beinhaltete eine wirklich große Portion Rührei mit Kartoffeln und Salat. Nur aufgrund der im Sommer üblichen knappen Bekleidung und der damit einhergehenden Offenlegung menschlicher Problemzonen entschieden wir uns dagegen. Es fiel schwer.

Die Karte zeugte von tiefem Verständnis für das Bedürfnis, auch am frühen Morgen die Wahl zwischen dem bürgerlichen Konzept eines ausgewogenen Frühstücks, dem Öko-Vegan-Politisch-Korrekt-Essen und deftigen Mahlzeiten zu haben – wir konnten den Tischnachbarn beim Mittag zuschauen, und hätten bis 19 Uhr die Option gehabt. Schließlich entschied sich erdgeist für ein Kleines Frühstück.

Kleines Frühstück: 4,80 €

Wir mußten nicht lange warten: Das Kleine Frühstück bestand aus einem Ei, Schinken, Wurst und etwas Obst, dazu zwei Käsesorten, Kräuterquark, Gurkenscheiben, etwas Salat und Marmelade. Es war nicht nur lecker, sondern auch angenehm sättigend (im Gegensatz zu Kreationen, die man im Laufe des Verzehrs wegen “zu trocken” oder “Gemüse alle” gelangweilt liegenläßt), so daß die verdauungsfördernden späteren Latte macchiato (2,50 Euro) mit euphorischer Freude geordert wurden. Der selbstgemachte Quark harmonierte mit allen anderen Komponenten, die Apfelsinen hielten prima Schalenmaterial zum Aschenbecherverstopfen bereit, und ganz besonders Kleinigkeiten wie die Alfafasprossen rundeten das Ganze ab. Einzig die Oliven störten den Gesamteindruck, konnten aber rechtzeitig auf dem Teller eines unaufmerksamen Speisenden am Nebentisch entsorgt werden.

Das Natürliche Frühstück: 6,00 €

Das Natürliche Frühstück beinhaltete einen Bourbon-Vanille-Joghurt mit Obst, der positiv auffiel, da er nicht so süß war, wie man es bei den typischen Plastebecher-Joghurts gewöhnt ist. Ansonsten gab es neben dem Brot und den Baguettescheiben Gurkenstückchen, Guacamole, Alfafasprossen, eine süßliche, zart gewürzte Paprikapaste sowie einen etwas spartanischen Rohkostsalat. 46halbe will da nicht meckern, sie hatte ja das “Natürliche” geordert, da brauch sie kein großes Dressing oder anderen Bohei erwarten – das Frühstück war auch so genau das, was zu diesem Morgen paßte. Der frischgepreßte, leicht bittere Orangensaft rundete das Frühstück ab.

Hingehen sollten alle, die einen individuellen Start in den Tag suchen und sich dabei nicht von Konventionen aufhalten lassen möchten, oder jene, die eh noch in Kreuzberg auf der Piste sind, und die berühmten langen Nächte mit einem stilvollen und entspannten Snack beschließen wollen. Eigentlich ist das schon fast ein Hingehen-Befehl, wir können unsere vordergründige Sympathie für das Marx nicht verhehlen.

Marx, Spreewaldplatz 6, 10999 Berlin
Telefon: 030 / 611 41 47

  1. Spreewald und Marx in West-Berlin! []
  2. erdgeist und 46halbe haben die Frühstücke genossen. []
  3. für die Wessis: Chemnitz. []

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