Am „Morgenrot“ kommt fast jeder mal vorbei, wenn man durch die Kastanienallee1 wandert. Wochenends platzt der Laden oft aus allen Nähten, aber wochentags vormittags blickten wir2 überraschenderweise in ein leeres Lokal.
Es ist bekannt durch einige Medienberichte, da es einer der wenigen Läden ist, der noch durch ein Kollektiv betrieben wird. Allerdings merkte man das beim Eintreten nicht, denn die Optik oder die Preise unterscheiden sich kaum von anderen Lokalen. Geblieben ist aber ein queer-feministischer Stricktreff (sic) und das Wochenend-Angebot des „Morgenrot“, für das Frühstücksbuffet soviel zu zahlen, wie man sich leisten kann. Das Frühstück soll dadurch nicht zum Luxus und von zahlungskräftigeren Menschen für andere mitfinanziert werden.
Neben dem täglichen Cafébetrieb – nur montags bleibt das „Morgenrot“ geschlossen – finden häufig Veranstaltungen statt: Lesungen, Ausstellungen, Vorträge, aber auch gelegentliche (Soli-)Parties stehen auf dem Programm. Die Türen sind mindestens bis ein Uhr morgens geöffnet, denn das „Morgenrot“ ist Café und Bar zugleich. Am Wochenende ist regulär um drei Uhr Dienstschluss. Je nach Tageszeit und Anlass begegnet man hier also nicht nur Frühstücksliebhaberinnen wie uns, sondern auch Nachteulen oder gar Hupfdohlen.
Der Blick auf das „Morgenrot“ von der gegenüberliegenden Straßenseite der Kastanienallee.
Bild: conticium, CC BY-ND 2.0.
Das „Morgenrot“ liegt in einer Gegend von Berlin, die sich in den letzten zwanzig Jahren stark verändert hat, vor allem teurer und touristischer geworden ist. Das Lokal wirkt einerseits ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Andererseits dürften viele Gäste vielleicht gar nicht merken, dass hier ein anderes Konzept der Betreiber zugrundeliegt, da man nicht eben mit der Nase darauf gestoßen wird.
Im „Morgenrot“ gibt es die üblichen Koffeinheißgetränke, so dass als typischer Referenztest ein Latte macchiato bestellt wurde. Dazu müssen sich die Gäste zum Tresen bequemen, und zwar zweimal: einmal bestellen, einmal nach dem Ausrufen abholen.
Zum Beginn des Frühstücks erstmal einen Latte macchiato: vermutlich 2,60 €, Preis nicht notiert.
Leider konnten wir einen zweiten typischen und beliebten Test3 nicht durchführen, denn einen frischgepressten Saft bot das „Morgenrot“ nicht an. So fiel die Wahl auf eine Saftschorle:
Orangensaft-Schorle: vermutlich 2,50 €, Preis nicht notiert.
Bemerkenswert war das Getränk nicht weiter, höchstens der Umstand, dass im „Morgenrot“ am Ende des Besuchs keine normale Rechnung ausgestellt wurde, sondern nur ein handgeschriebener Zettel mit Zahlen. Wir können daher den Preis für die Schorle nicht mehr sicher rekapitulieren, auch weil wir mittlerweile wohl zu verwöhnt sind, um jeden einzelnen Preis zu notieren. Denn außer im „Morgenrot“ erhielten wir in den letzten Jahren immer eine aufgeschlüsselte Rechnung, die wir später beim Schreiben des Blogposts verwenden konnten.
Zur Schorle gesellte sich der oben erwähnte Latte macchiato, der später aber auf der Rechnung fehlte, sowie ein Pott Kaffee (2,40 €). Wir vermuten das Fehlen zumindest, denn die Anzahl der Einträge in der Zahlenliste stimmte nicht mit den bestellten Speisen und Getränken überein.
Später kam noch ein Cappuccino (2,40 €) dazu, der ohne preislichen Unterschied zu der Variante mit Sojamilch angeboten wurde, den veebz zuvor bestellt hatte. Der Cappuccino war geschmacklich dem unterdurchschnittlichen Latte überlegen: aromatischer und runder. Angenehm war, dass er ohne viel Wartezeit zubereitet und ausgerufen wurde.
Cappuccino: 2,40 €.
Nach eigenen Angaben stammt der Espresso von der honduranischen Kooperative „coordinadora de mujeres campesinas de la paz“ (COMUCAP, Bäuerinnen für den Frieden), die sich für die Verteidigung der Rechte von Frauen, Kindern und der Umwelt einsetzt.
Das Genießen des Kaffees war aber nicht so einfach, da das Barpersonal in erheblicher Lautstärke andauernd Flaschen einräumte, offenbar vor allem Alkoholisches. Nachts ist das Lokal wie erwähnt eine Bar, was vermutlich dazu führte, dass die Getränke dezimiert worden waren und nun die Öffnungszeit am Vormittag und frühen Nachmittag als eine Art Einräumintervall genutzt wurde. Vielleicht hatten wir auch gerade den Wochentag erwischt, an dem das Nachfüllen der Getränke eben immer stattfindet, man weiß es nicht.
Irgendeine Bemühung, die Lautstärke zu reduzieren, konnten wir nicht erkennen – im Grunde eine Frechheit gegenüber den wenigen im Lokal sitzenden Gästen. Wochentags gegen Mittag blieb es drinnen die gesamte Zeit sehr leer, nur eine Handvoll verirrte Gäste. Auch draußen an den Tischen in der Kastanienallee saß kaum jemand, vielleicht war es etwas zu kühl an diesem Tag. Jedenfalls hat der Lärm nicht den Wunsch aufkommen lassen, hier unbedingt wieder einzukehren. Um es mal mit einem Spruch mit Anleihen an die DDR zu sagen: Gänsefleisch den Lärmpegel ein bisschen abdämpfen, liebes Kollektiv?
Beim Blick von uns Hungrigen in die Karte machte sich weitere Ernüchterung breit: Es gab nur eine winzige Auswahl, darunter genau gar nichts, was man besonders nennen könnte. Unsere Frage nach einem Suppenangebot oder sonstigen anderen Speisen wurde leider auch verneint. So landete zum Frühstück Hummus auf unserem Tisch:
Hummus: 4,50 €.
Rein optisch vielversprechend: Der Klitsch wurde mit süßlichen Zwiebeln, Paprikagewürz, Zitrone und Petersilie garniert. Leider konnte der Geschmack des Hummus nicht überzeugen, eigentlich war er überhaupt nur schmackhaft, wenn man jeden Tropfen des mitgelieferten Zitronenstückchens darüber verteilte. Dabei kann Hummus ein vorzügliches Frühstücksangebot sein, nahrhaft, verträglich, halbwegs gesund und mit einer angenehmen Textur für die aufwachende Zunge. Hier jedoch schmeckte das Gericht einfach wie vom Vortag.
Die Oliven, die veebz zusätzlich bestellt hatte, schmeckten allerdings ohne Abstriche.
Oliven zum Hummus: 2 €.
Ärgerlich wurde es dann beim Essen: Das Brot zum Hummus, das wir uns zu dritt teilten, einmal nachzubestellen, empfand das Personal hinter dem Tresen offenbar als Zumutung. Selbstverständlich bezahlten wir die Extra-Portion, aber dass wir quasi darum bitten mussten statt es einfach ordern zu können, hätten wir nicht geahnt. Vielleicht haben wir den Herrn hinterm Tresen auch nur bei seinem lautstarken Einräumen der Flaschen gestört.
Wir zahlten 2 € für zusätzliches Brot.
Das helle Weizenbrot war frisch, allerdings ohne Abwechslung. Vielleicht hätten zwei oder mehr Brotsorten die Langeweile beim Hummus dämpfen können.
Müsli zum Frühstück: 3,90 €.
Neben Hummus fiel xkeys Wahl auf Müsli. Er vergab die Note „gut plus“. Das Obst war frisch, die Mischung aus Milch und Joghurt lecker. Und die Nüsse rundeten das Frühstück gut ab.
Während es zu Beginn klassischen Jazz auf die Ohren gab, wechselte die Musik irgendwann zu nachgesungenen Popsongs, wir erkannten Beatles- und Madonna-Klassiker in beinahe romantischen Akustikgitarreversionen. Vermutlich hörten wir eine CD namens „Lazy Days Breakfast Compilation“, „Breakfast in Bed“, „Cozy Morning“ oder so ähnlich, die für eine angenehmere, gemütlichere Atmosphäre in dem ansonsten lärmenden Betrieb sorgen sollte. Begeistern konnte uns das leider auch nicht, veebz entfuhr das Wort „furchtbar“, als sie um ihre Meinung zur Beschallung gebeten wurde.
Hingehen sollten alle, die einen leichten politischen Touch bei der Wahl ihres Frühstückslokals mögen und keine Lust haben, eine große Speisekarte zu navigieren. Nach allem, was man online liest, ist das „Morgenrot“ wohl nicht ohne Grund hauptsächlich für sein Frühstücksbuffet am Wochenende bekannt.
Morgenrot
Kastanienallee 85, 10435 Berlin
Tel. (030) 44 31 78 44
Webseite
- Sie hat ihren Namen tatsächlich von den Rosskastanien als ihren ersten Alleebäumen. [↩]
- Diesmal waren 46halbe, veebz und xkey zum Testen unterwegs. [↩]
- Die extra-frischen Säfte bestellen wir offenbar sogar öfter als wir dachten. [↩]